Zum 41. Mal versammeln sich Manager, Politiker und Filmstars zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Wozu, bleibt unklar

Hamburg. Der Anspruch klingt auf den ersten Blick bescheiden und auf den zweiten fast unerfüllbar. "Den Zustand der Welt zu verbessern", das ist das Leitmotto des Weltwirtschaftsforums. Der deutsche Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab hatte diese wohl einzigartige Konferenz im Jahr 1971 erfunden. Veranstaltet wird das Forum heutzutage von einer Stiftung, die im Schweizer Ort Cologny sitzt und die Schwab leitet. Rund 2500 Führungspersönlichkeiten aus der Politik und der Wirtschaft, Prominente aus den Medien und der schönen Kultur kommen dieses Jahr in das Schweizer Bergdorf Davos, um Kontakte zu knüpfen und die Weltlage zu diskutieren.

Das Forum wirkt wie ein Treffen der Weltelite - allein das Bundeskabinett ist bis zum Sonntag mit vier Mitgliedern vertreten: Bundeskanzlerin Angela Merkel, zudem die Minister Karl-Theodor zu Guttenberg, Rainer Brüderle und Ursula von der Leyen fliegen für mehr oder weniger kurze Auftritte ein. Insgesamt haben sich 30 Staats- und Regierungschefs angesagt, inklusive des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Der ließ es sich nicht nehmen, die Großveranstaltung gestern Abend zu eröffnen, trotz des Terroranschlags am Moskauer Flughafen Domodedowo am Montag. Aus den Topetagen der deutschen Wirtschaft sind unter anderem Josef Ackermann von der Deutschen Bank, René Obermann von der Telekom und Volkswagen-Chef Martin Winterkorn vor Ort.

Davos scheint für viele Teilnehmer mittlerweile olympischen Charakter zu haben, ganz nach dem Motto "Dabei sein ist alles". Viele, die regelmäßig teilnehmen wie Telekom-Chef Obermann, rühmen die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen. Davos sei für ihn "Information und Arbeit", sagte Obermann, dort habe er schon "einige Projekte" gestartet.

Viele Teilnehmer genießen zwischen Kongresssaal, Hotelsuiten und Alpenpanorama ihre persönlichen "win-win"-Situationen, wenn sie im Kurzzeittakt von Smalltalks und Stelldichein ihre elektronischen Adressbücher auffüllen, fruchtbare politische oder geschäftliche Kontakte anstoßen. Auch für den guten Zweck kommt in Davos immer etwas zusammen, etwa bei Spendenaktionen mit Hollywoodstars wie Sharon Stone oder Brad Pitt und Angelina Jolie. Für dieses Jahr hat sich Schauspiellegende Robert de Niro in Davos angesagt. Und Microsoft-Gründer Bill Gates, der sich mittlerweile vor allem als Milliarden-Dollar-Mäzen betätigt, ist mit seiner Frau Melinda zum wiederholten Mal dabei.

In Davos versammelt sich eine beeindruckende Dichte von Macht und Geld. Doch offiziell wirksame Beschlüsse werden dort nicht gefasst, sie sind auch nicht das Ziel der Veranstaltung. Die Teilnehmer loben das Informelle des Forums - nettes Beisammensein im Kaschmirpullover statt Meetings in Nadelstreifen. Der Wert der Veranstaltung ist schwer zu beurteilen, weil wohl jeder seine Ausbeute dort anders sieht. Es scheint jedoch so, dass die hochprominente Teilnehmerschar vor allem über Entwicklungen diskutiert, die bereits eingetreten sind. Marijn Dekkers jedenfalls, der Chef des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer in Leverkusen, bemerkte vor der diesjährigen Konferenz, dass die wirtschaftliche Entwicklung dort selten richtig vorausgesagt werde.

Das Weltwirtschaftsforum weckt mit seiner imposanten Teilnehmerliste immer auch die Hoffnung, dass dort Bewegungen zum Besseren gestartet oder gewendet werden. Aber warum sollte das ausgerechnet zwischen Kamingesprächen und Podiumsdiskussionen, zwischen Tür und Angel in einem Schweizer Touristendorf geschehen - wenn dies bei Weltkonferenzen zum Klimaschutz oder zur Regulierung enthemmter Finanzmärkte nicht gelingt?

Und welchen Erkenntniswert haben die Gespräche in der überfüllten Bergidylle? "Gemeinsame Normen für die neue Realität" ist das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums, Orientierungshilfen in einer zunehmend unübersichtlichen Welt. Dass China und Indien demnächst die Weltwirtschaft dominieren werden, steht mittlerweile allerdings in jedem Kreisanzeiger. Und dass soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter die Welt aus den Angeln heben, ist inzwischen bereits Teil des Kinoprogramms.

Man möchte der Bundeskanzlerin den kurzen Ausflug nach Davos gönnen. Aber hat sie, die in einer fast unmenschlichen Terminhetze von einer Konferenz zur nächsten eilt, nicht schon genügend Gesprächspartner? Ist Davos tatsächlich so besonders?

Zweifel daran nährt vor allem der Gründer Klaus Schwab selbst. Vor dem diesjährigen Forum diagnostizierte er einen "globalen Burn-out", eine wachsende Rat- und Hilflosigkeit bei der Bewältigung internationaler Krisen. "Wir müssen uns auf eine Zeit der Bescheidenheit einstellen", sagt Schwab angesichts der zurückliegenden Weltwirtschaftskrise. "In dieser neuen Realität werden von uns kollektive Opfer verlangt, um die Zukunft zu sichern." An den Bars und Buffets von Davos allerdings, so viel scheint gewiss, wird die neue Bescheidenheit nicht beginnen.