Bänder für Golf, Tiguan und Touran stehen am Montag still. Insgesamt 3000 Autos werden nicht gebaut

Hamburg. Mit dieser Entscheidung haben selbst Branchenkenner nicht gerechnet: Volkswagen verordnet sich selber Kurzarbeit - aber nicht wegen schwacher Nachfrage, sondern im Gegenteil. Weil wegen des Autobooms Zulieferteile knapp geworden sind, werden am kommenden Montag die Bänder im Stammwerk Wolfsburg stillstehen. Von der Produktionsunterbrechung sei vor allem der Verkaufsschlager Golf betroffen, aber auch der Geländewagen Tiguan und der Minivan Touran, sagte VW-Sprecher Christoph Adomat dem Abendblatt. Im Schnitt würden in Wolfsburg pro Tag rund 3000 Autos gebaut.

Außer den drei Schichten am Montag hat der Konzern bereits eine Sonderschicht am vergangenen Sonnabend abgesagt. "Es fehlt an internen Zulieferteilen wie auch an Teilen von externen Lieferanten", so Adomat. Von Branchenkennern heißt es dazu, VW komme mit der Herstellung von Motoren in den eigenen Werken nicht nach.

"Aufgrund der guten Absatzlage produzieren wir an der Obergrenze der Kapazität, jetzt reißen die ersten Zulieferströme ab", erklärte der Sprecher. "Wir standen vor der Wahl, entweder die Fertigung stotternd weiterlaufen zu lassen oder die Pipeline mit den benötigten Teilen wieder aufzufüllen." Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Arbeitsruhe diene dazu, die Materialversorgung des Werkes zu stabilisieren.

Nach Auffassung von Marc-René Tonn, Analyst beim Hamburger Privatbankhaus M.M.Warburg & CO, war das die richtige Entscheidung: "Es macht organisatorisch mehr Sinn, einen kompletten Produktionstag ausfallen zu lassen, als mit verminderter Geschwindigkeit weiterzuarbeiten." Volkswagen stehe mit diesem Problem nicht allein da: "Eine solche Teileknappheit kann auch andere Hersteller treffen", so Tonn. "Die für diese Branche unüblich starke Schwankung der Auslastung stellt für die Unternehmen eine enorme Herausforderung dar." Nur kurz nach der Absatzkrise der Jahre 2008/2009 hätten die Autobauer 2010 weltweit bereits wieder einen neuen Produktionsrekord eingefahren.

Zwar könne man angesichts der Teileknappheit von einem "Planungsfehler" sprechen, aber dieser sei gut nachvollziehbar, meint dazu Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach: "Niemand hat damit gerechnet, dass der Aufschwung so schnell kommt."

Auch Bratzel sieht darin ein Problem der gesamten Branche - und er schließt nicht aus, dass schon bald BMW oder Daimler ebenfalls einen Gang zurückschalten müssen. Dabei seien die Hersteller selbst mitverantwortlich für die aktuellen Schwierigkeiten: "Die Zulieferer werden im Hinblick auf die Preise wieder an der kürzeren Leine gehalten, das verringert ihre Flexibilität." Besonders die kleineren, in der Produktionskette vorgelagerten Zulieferbetriebe hätten aber auch Probleme, die kräftige Ausweitung der Fertigung vorzufinanzieren, ergänzte Tonn.

Zumindest hinsichtlich der internen Zulieferungen hat der VW-Konzern schon im September vergangenen Jahres beschlossen, die Kapazitäten deutlich anzuheben: In Mexiko entsteht für 400 Millionen Euro ein neues Motorenwerk. Etwa 700 neue Mitarbeiter sollen künftig 330 000 Motoren jährlich für Standorte in Nordamerika bauen. Volkswagen profitiert aktuell kräftig vom Absatzboom in China und den USA. Im vergangenen Jahr lieferte der Konzern weltweit erstmals mehr als sieben Millionen Fahrzeuge aus. Auch das Wolfsburger Werk exportiert viele Autos nach Übersee. "Wir reizen derzeit aus, was im Rahmen der Flexibilität möglich ist", sagte VW-Sprecher Adomat. So hatte der Konzern - wie auch andere deutsche Fahrzeughersteller - bereits die Weihnachtspause verkürzt.

Die Investoren an der Börse nahmen den Wolfsburgern ihre Produktionspause jedenfalls nicht übel: Die VW-Vorzugsaktie kletterte gestern um knapp 3,3 Prozent auf 118,10 Euro und war damit der stärkste Titel im Deutschen Aktienindex (DAX). Händler erklärten dies vor allem mit positiven Analystenstudien. So haben die Experten der HSBC das Kursziel für VW-Vorzüge von 124,00 auf 165,00 Euro angehoben und für die Stämme von 105,00 auf 150,00 Euro.

Da ein schnelles Ende der guten Auftragslage nicht abzusehen ist, dürfte man sich bei VW nach Einschätzung von Tonn über die Umsatzeinbußen durch den eintägigen Produktionsstopp nicht lange grämen müssen: "Man hat bis zum Jahresende noch genug Zeit, den Ausfall durch Sonderschichten wieder aufzuholen."