Die Werft Abeking & Rasmussen baut für die Reichsten der Welt. Ihre Katamarane sollen künftig Windparks versorgen

Lemwerder. Draußen vor dem halb geöffneten Tor der Schiffbauhalle wirbelt der Wind ein paar Regentropfen durch die Luft. Drinnen ragt, aufgeständert und von Baugerüsten eingehüllt, ein Rumpf knapp zwölf Meter in die Höhe. Noch sind die bis zum Hauptdeck hinaufreichenden, matt dunkelrot schimmernden Stahlplatten ohne Anstrich. Das Unterwasserschiff wirkt eher wuchtig als elegant. Doch ein Blick über die Reling hinweg zu den Aufbauten mit den großen Fenstern verrät rasch, dass hier kein gewöhnlicher Frachter, sondern eine Luxusyacht entsteht. Mit mehr als 78 Meter Länge ist sie die bisher größte der Lemwerder Werft Abeking & Rasmussen (A & R).

"Die Baunummer weist die Yacht als 6492. Auftrag seit der Gründung des Unternehmens 1907 aus", sagt Werftchef Hans M. Schaedla. "An Bord wird Platz für das Eignerehepaar, bis zu zwölf Gäste und 22 Mann Besatzung sein", lässt er sich noch entlocken. Der Rest ist geheim. Auftraggeber für Megayachten schätzen es nicht, wenn die Werften zu viel über sie oder ihre Schiffe bekannt geben. "Nur 150 bis 200 Menschen weltweit mit Vermögen von Hunderten von Millionen oder gar Milliarden leisten sich solche Schiffe", schätzt Schaedla. Seine Kunden kommen vor allem aus Amerika und Osteuropa. Für sie zählt die Werft vor den Toren Bremens zu den ersten Adressen.

Das ist einer der Gründe dafür, dass die Werft noch Anfang 2009, als die gesamte deutsche Branche in die Krise rutschte, zwei Aufträge für solche Schiffe erhielt. Insgesamt arbeitet A & R an fünf Yachten. Ein Geschäft mit Zukunft, das jetzt wieder anspringt. "Es kommen wieder Vertraute oder Designer der Reichen zu uns, um über neue Projekte zu sprechen", sagt Schaedla.

Die Yachten und bis zu elf Aufträge für besonders seegängige Katamarane - alle ebenfalls noch vor der Krise abgeschlossen - sichern die Beschäftigung der 440-köpfigen Belegschaft und von ebenso vielen Mitarbeitern bei Lieferanten bis ins Jahr 2013. Bei A & R gab es zuletzt weder Kurzarbeit noch Lohnkürzungen oder Personalabbau. "Wir schreiben seit fünf Jahren schwarze Zahlen, werden 2011 alle zwei Monate einen Neubau abliefern und wollen die Rekordbeschäftigung halten", fasst Schaedla zusammen.

Die zweite Spezialität der Werft, die sogenannten Swath-Schiffe, steht in den Hallen, die an den Yachtbereich grenzen. Der englische Begriff steht für "Small Waterplane Area Twin Hull", was übersetzt etwa "Doppelrumpf mit wenig Angriffsfläche im Wasser" bedeutet. Typisch für die Schiffe sind Röhren aus Aluminium oder Stahl, auf denen beim fertigen Schiff eine Plattform mit den Aufbauten ruht. Sie allein verdrängen statt eines voluminösen Rumpfes das Wasser und sorgen so für den Auftrieb. Die gute Seegängigkeit wird erreicht, weil die Röhren im Wasser wenig Widerstand bieten und zudem mehrere Meter unter der Wasseroberfläche sitzen. Dort ist die See ruhiger. "Wir fahren oberflächenentkoppelt", sagt Vertriebschef Karsten Fach, der vom Hamburger Schiffs-TÜV Germanischer Lloyd zur Werft gewechselt ist. Schaedlas Vater Hermann hatte die Technologie, die erstmals in den 1950er-Jahren in den USA erprobt wurde, Anfang der 90er-Jahre als Erster in Deutschland aufgegriffen. Er witterte darin eine Strategie, um gegen die Konkurrenz aus Asien zu bestehen.

Ein wichtiger Vorzug der Katamarane, für die A & R inzwischen als Weltmarktführer gilt, ist auch ihre breit gefächerte Kundschaft. Lotsen schätzen die Swath-Boote, weil sie mit ihnen auch bei drei Meter hohen Wellen Großschiffe erreichen können, ohne einen Hubschrauber bestellen zu müssen. Die lettische Marine entschied sich für zwei Patrouillenboote und will noch drei weitere. Für Estland wird in Lemwerder gerade ein Forschungsschiff gebaut. Mit den Swath-Katamaranen und Yachten kommt die Werft auf einen Umsatz von 100 Millionen Euro.

Begonnen hatten Henry Rasmussen und sein Kompagnon, der Maschinenbauingenieur Georg Abeking, 1907 noch mit einem Drei-Mann-Betrieb. Einen Namen macht sich Rasmussen - auch nachdem Abeking in den 1920er-Jahren ausscheidet - mit Segelyachten. Als der Gründer 1959 nach einem Autounfall stirbt, tritt Enkel Hermann Schaedla die Nachfolge an. Auf ihn folgt 2008 sein Sohn Hans, der den Betrieb immer noch am selben Platz führt wie vor mehr als 100 Jahren.

Für die Swath-Schiffe sieht Schaedla jetzt neue Chancen. Gerade für den Aufbau von Windkraftanlagen auf See, deren Wartung und den Transport von Proviant, Besatzungen sowie Bauteilen über unruhige Meere bieten sich die Katamarane an. Im April hat die Werft ihr erstes Schiff für Offshore-Einsätze an die Bard-Gruppe in Emden geliefert, die damit Monteure zu Windparks bringt. "Wir glauben an Folgeaufträge", sagt Schaedla. Das gilt auch für Yachten.

Erste Ideen gehen dahin, größere Schiffe anzubieten und so den Konkurrenten Blohm + Voss und Lürssen näher zu rücken. Ohnehin liegt zwischen den Zentralen von Lürssen und A & R nur die Weser. Vom Bremer Ufer sind es mit der Fähre nur wenige Minuten.