Zahl der Manipulationen nimmt dramatisch zu. Wie man sich schützen kann

Hamburg. Der Anruf war ein Schock: als Anke W. am anderen Ende der Leitung die Frage ihres Bankberaters hörte, warum sie das Konto so sehr überzogen habe. Der Bank seien diese ungewöhnlichen Abhebungen in Rom aufgefallen. Knapp 2000 Euro in drei Tagen, von verschiedenen Geldautomaten, in der Nähe des Vatikans, dann am Fuße des Monte Testaccio. Dabei war sie in Gelddingen umsichtig. Und, was die Sache zu ihren Gunsten aufklärte, auch noch nie in Rom gewesen. Der Hamburgerin war schnell klar: Sie war zum Opfer geworden von Betrügern, die Geldautomaten ausspähen und dann mit einer gefälschten Karte das Konto des Kunden plündern.

Diese Form der Kriminalität nimmt drastisch zu. Im ersten Halbjahr 2010 registrierte die Polizei laut Bundeskriminalamt bereits fast genauso viele dieser sogenannten Skimming-Fälle wie im gesamten Jahr 2009. Damals hatten die Ermittler 960 manipulierte Automaten gezählt. Der Schaden: schätzungsweise 40 Millionen Euro. Geschädigte: weit mehr als 100 000 Kunden.

"In Hamburg registrieren wir eine ähnlich starke Zunahme wie im Bundesgebiet", sagte Polizeisprecher Holger Vehren dem Abendblatt. Ab dem nächsten Jahr wolle seine Behörde dazu auch Statistiken führen, noch könne er aber keine detaillierten Zahlen nennen.

Weil sich Banken und die Polizei aber der wachsenden Gefahr für die Bankkunden bewusst sind, geben sie bereits gute Einblicke in ihre Bemühungen, den Tätern das Handwerk zu legen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:

Wie gehen die Täter vor?

Nur zehn Sekunden brauchen sie, um ihre Spähinstrumente anzubringen. Diese können neben Minikameras in verschiedener Verkleidung auch auf die eigentliche Tastatur gelegte täuschend echte Duplikate sein oder Aufsätze am Kartenschlitz. Auch mit Türöffnerattrappen lesen die Täter unbemerkt Karten aus. Die an deutschen Geldautomaten gewonnenen Daten überspielen die Kriminellen rasch ins Ausland, dort werden sie auf sogenannte Blankokarten ("White Plastics") gespeist. Komplizen können mit diesen Karten dann Geld abheben. (Deutsche Automaten erkennen in der Regel diese Fälschungen.) Erst beim Blick auf seinen Kontoauszug nimmt der Kunde dann den Betrug wahr.

Auffällig ist auch, dass die Täter immer dreister werden. Sie stehlen bereits komplette Geldautomaten, um die neuen Skimming-Methoden zu üben.

Welche Geldautomaten sind besonders gefährdet?

In Hamburg verteilen sich die Geräte, die von den Kriminellen bereits für ihre Zwecke genutzt worden sind, über das ganze Stadtgebiet. "Letztlich können alle Standorte betroffen sein", sagte Vehren. Etwas weniger gefährdet seien Orte, die gut einsehbar sind. Die Haspa hat ihre 360 Geldautomaten in Hamburg nach eigenen Angaben mit einem Anti-Skimming-Schutz versehen, der hilft, Manipulationen zu verhindern.

Wie kann ich mich schützen?

Häufig sind die Manipulationen an den Automaten zu erkennen. "Alles, was wackelt, ist verdächtig", sagte Vehren. Schließlich würden die Täter Tastaturen aufstecken oder Einsteckschlitze installieren, die sie auch leicht wieder abnehmen können, um später die Daten abzulesen. Sinnvoll sei auch, die PIN-Eingabe zu verdecken. Wird die Karte eingezogen: sperren lassen und die Bank informieren. Zudem sollten Verbraucher - selbst bei Aufforderung - die PIN niemals an Türöffnern eingeben, auch nicht bei Geldinstituten. In einem solchen Fall am besten die Polizei informieren. Um bei einem Missbrauch schnell reagieren zu können, sollten Verbraucher regelmäßig die eigenen Kontobewegungen auf unbekannte Buchungen überprüfen

Wer sind die Täter?

Zu den Tatverdächtigen in Hamburg gehören vor allem organisierte Kriminelle aus dem Ostblock. Das Landeskriminalamt (LKA) von Rheinland-Pfalz hat bereits ein typisches Täterprofil erstellt: "Sehr beweglich, reisend. Und es gibt einen ständigen Austausch der agierenden Täter", sagte LKA-Sprecher Klaus D. Wahl. Und: "Die Köpfe sind fast alle Ex-Geheimdienstler etwa aus Rumänien, die sich mit Datenklau auskennen."

Wie soll ich mich bei einem Missbrauch verhalten?

Der Sperrnotruf ist unter der Telefonnummer 116116 zu erreichen. Doch um den Sorgen der Bankkunden vorzubeugen: Sie bekommen ihr Geld zurück. "Der betroffene Verbraucher haftet letztlich für unbefugte Abbuchungen mit Kartendoppel nicht. Das ist anders als bei abhandengekommenen Karten. Allerdings zahlen alle Verbraucher über die Preise den Schaden mit, der durch diese Betrügereien entsteht", sagt Frank-Christian Pauli, Bankreferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Die Haspa betont, dass etwaige Schäden für ihre Kunden über einen Haftungsfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) ausgeglichen werden.