Kunden von Lebensversicherungen müssen Kürzung auf 1,75 Prozent hinnehmen
Hamburg. Neuverträge für Lebensversicherungen könnten in Zukunft deutlich unattraktiver werden. Früher als erwartet soll der Garantiezins für die Policen gesenkt werden. Das sieht ein Vorschlag des Bundesfinanzministeriums vor. Danach soll für Verträge, die vom 1. Juli 2011 an abgeschlossen werden, der Garantiezins von 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent sinken. Es wäre die erste Senkung seit 2007. Experten hatten frühestens für 2012 eine Anpassung erwartet. Die Versicherer laufen Sturm gegen die Pläne und fürchten um ihren jahrzehntelangen Verkaufsschlager. Für eine Änderung des Zinses gebe es 2011 keinen Anlass, so der Branchenverband GDV.
"Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, der jetzt mit allen Beteiligten abgestimmt wird", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Branchenvertreter vermuten, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die Versicherer kontrolliert, auf eine so starke Reduzierung des Garantiezinses drängt, um den Versicherungen den Druck zu nehmen, hohe Zinsen zu erzielen. Die Deutsche Aktuarvereinigung, in der die Mathematiker der Versicherungen vertreten sind, hatte vorgeschlagen, den Zins 2011 unverändert zu lassen. Experten rechnen damit, dass sie dem Ministerium eine Absenkung auf zwei Prozent ab 2012 vorschlagen werden.
Jeder Kunde bekommt bei Vertragsabschluss einen garantierten Mindestzins, der für die gesamte Vertragslaufzeit gilt. Da die Versicherer über den Garantiezins hinaus weitere Überschüsse mit den Kapitalanlagen erwirtschaften, liegt die tatsächliche Verzinsung, auch Überschussbeteiligung genannt, über dem Garantiezins und erreicht in diesem Jahr nach Berechnungen der Ratingagentur Assekurata durchschnittlich 4,24 Prozent.
"Die Ablaufleistung einer Kapitallebensversicherung insgesamt verändert sich nicht durch die Absenkung des Garantiezinses", versucht Hasso Suliak vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu beruhigen. "Es sind nur die garantierten Versicherungsleistungen, die geringer ausfallen." Die Erfahrung aber zeigt, dass mit den sinkenden Garantiezinsen auch die Überschüsse gefallen sind. So lag der Garantiezins Mitte der 90er-Jahre noch bei vier Prozent, die Überschüsse lagen über sieben Prozent. Seither verschlechtern sich die Konditionen, weil die Zinsen am Kapitalmarkt stark sinken. Die Policen bringen den Sparern immer weniger ein.
Auch für das nächste Jahr müssen sich die Kunden auf geringere Renditen einstellen. Von den zehn größten Lebensversicherern, die auf einen Marktanteil von über 50 Prozent kommen, haben vier Unternehmen ihre Überschussbeteiligung für 2011 gesenkt. So reduzierte die Allianz die Verzinsung um 0,20 Prozentpunkte auf 4,10 Prozent und die Debeka um 0,30 Prozentpunkte auf 4,30 Prozent. Folge: "Die Inhaber bestehender Versicherungen erhalten bei Weitem nicht das, was sie ursprünglich einmal versprochen bekommen haben", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Er rät angesichts der Entwicklung vom Abschluss neuer Verträge ab. Das lohne sich nicht. Mit der sinkenden Garantieverzinsung müssen die Sparer höhere Beiträge als bisher für eine garantierte monatliche Rente im Alter zahlen oder sie akzeptieren, dass diese geringer ausfällt.
Entsprechend ablehnend reagiert die Branche auf den Vorschlag des Ministeriums. "Eine Absenkung des Garantiezinses auf zwei Prozent ab Anfang 2012 wäre völlig ausreichend gewesen", sagt Suliak. Auch Debeka-Vorstand Roland Weber hält die Absenkung für übertrieben. "Das wird das Neugeschäft schwächen und wirkt so kontraproduktiv für die Unternehmen", sagt er. Zudem dürften die Kosten durch die Umstellung in der Jahresmitte steigen.