Investor aus der Volksrepublik will 1000 Arbeitsstellen schaffen und steckt 50 Millionen Euro in den Bau eines Heimtextiliengroßhandels.

Schwarzenbek. Es ist Abend im Sommerpalast von Zhu Zhonghui. Der Hausherr, einer der reichsten Männer Chinas, in weißem Hemd und schwarzer Hose, lässt chinesische Köstlichkeiten servieren. Frank Ruppert und Andreas Thiede sitzen mit am runden Tisch im Saal des Prachtbaus mit den geschwungenen Dächern. Und sie dürfen sich einmal mehr als Ehrengäste fühlen. Zur Begrüßung hatten Chinesinnen in roten Uniformen die Hände vor dem Gesicht aneinandergelegt und die Augen niedergeschlagen, Kinder schwenkten deutsche Fähnchen.

Thiede und Ruppert sind an diesem Abend bester Laune, und das ist weniger der weiblichen Charmeoffensive geschuldet als dem Thema der Tischrunde. Es geht um die bisher wohl größte Ansiedlung eines chinesischen Unternehmens in Deutschland . Für 50 Millionen Euro, mit 1000 neuen Arbeitsplätzen. In Schwarzenbek.

Wo? Thiede und Ruppert, der Wirtschaftsförderer und der Bürgermeister der 15 000-Einwohner-Gemeinde im Herzogtum Lauenburg, nehmen sich mit der Bedeutung ihrer Heimat gerne selber auf den Arm. Immer noch. Oder jetzt erst recht. "Schreibt man das mit k oder ck?", sagt Thiede, und meint damit bisherige Kenntnislücken bei der Landesregierung in Kiel.

Doch jetzt ist vieles anders. Zhu, ein Unternehmer, der mit Heimtextilien, Bergbau und Immobilien ein Vermögen gemacht hat und zugleich Vorsitzender eines Unternehmensverbandes mit 5000 Mitgliedern ist, hat sich für Schwarzenbek entschieden. Ein entsprechendes Investitionsabkommen wurde jetzt unterzeichnet. Und Kiel blickt mit Stolz auf den Ort am Rande des Sachsenwaldes, rund 20 Kilometer östlich von Hamburg. Ein Ort, der erst nach dem Krieg mit dem Zuzug ausgebombter Hamburger auf seine heutige Größe kam.

"Ich bin zuversichtlich, dass sämtliche noch offenen Fragen rund um das Projekt rasch geklärt werden und die Investition samt der rund 1000 geplanten Arbeitsplätze kommt", sagte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) dem Abendblatt. "Das würde nicht nur der Region selbst einen warmen Regen bescheren, sondern hätte eine wirtschaftliche Strahlkraft weit ins Land hinaus."

Im Schwarzenbeker Rathaus, einem rot geklinkerten Zweckbau, haben Ruppert und Thiede bereits etliche chinesische Gastgeschenke gesammelt. Dickbäuchige Buddhafiguren sitzen in den Regalen, eine gerahmte Kalligrafie schmückt die Wand. Schon 2011 soll ein paar Kilometer weiter das ETC (European Textile Center) entstehen, ein Jahr später wollen die Chinesen Einweihung feiern. Auf 60 000 Quadratmetern wollen sie hier den Stolz ihres aufstrebenden Landes präsentieren: Heimtextilien, eine Branche, die sie mit ihren Tausenden Fabriken mit Abstand dominieren. In 30 Shops werden chinesische Hersteller Bettwäsche, Handtücher oder Gardinen zeigen. Einkäufer von Fachgeschäften oder Warenhäusern aus ganz Europa sind ihre Zielgruppe. Die Leitung der Shops wird in chinesischer Hand liegen, zusätzlich sollen 1000 deutsche Beschäftigte in Vertrieb und der Verwaltung arbeiten. Designer sollen die Produkte aus der Volksrepublik an den europäischen Geschmack anpassen. Die Logistik läuft über Hamburg. Doch Schwarzenbek wird Chinas Tor nach Europa.

"Und das ganz ohne Subventionen", sagt Ruppert, der sich eine chinesische Flagge ans Revers geheftet hat. Schon jetzt herrscht Sorge bei der Agentur für Arbeit, so viele Bewerber gar nicht in der eigenen Kartei finden zu können. Für Thiede und Ruppert hingegen ist die Vorstellung, hier bald Vollbeschäftigung zu haben, wie Weihnachten und Ostern zugleich. Endlich ist die Stadt weniger abhängig vom größten Arbeitgeber der Stadt, dem Maschinenbauer Fette, der in der Krise noch 250 Mitarbeiter entlassen hatte.

Doch nicht jeder hier teilt die Begeisterung der Politik. "Es gibt etliche Kritiker, doch die Sorge ist meist einer Unwissenheit geschuldet", sagt Thiede, der betont, Themen wie Menschenrechte bei Besuchen in China nicht auszulassen. Die lokale Wirtschaft indes ist optimistisch, dass neue Mitbürger auch neue Kunden werden können. "Wir freuen uns", sagt etwa Maren Schröder, Seniorchefin des Hotels Schröder gegenüber vom Rathaus. So mancher Delegation aus dem Reich der Mitte hat sie schon Hirschbraten und Wildgulasch serviert. Jetzt gibt es die gutbürgerliche Karte auch in chinesischen Schriftzeichen. Bildungspolitiker denken bereits an eine chinesische Schule. Und der Integrationsbeauftragte des Landes ist informiert, dass er den rund 300 chinesischen Managern mit ihren Familien, die die Schwarzenbeker als neue Mitbürger erwarten, die Einreise und die Arbeitsbürokratie so leicht wie möglich macht.

Am liebsten rollt die Stadt den roten Teppich aber für Investor Zhu aus. "Wir haben ihn letzte Woche noch vom Flughafen in Hamburg abgeholt und sind zum Frühstück ins Schloss Tremsbüttel gefahren", erzählt Thiede. "So etwas kennt Herr Zhu aus China schließlich nicht."

Doch es ist nicht nur der Einfallsreichtum der Schwarzenbeker, der den Milliardär in die norddeutsche Provinz lockt. "Es sind vor allem unsere Beziehungen", sagt Thiede. Er ist ein Mann, der die Menschen beim Gespräch am Arm berührt, er schafft Vertrauen, und ihm glaubt man solche Sätze. Schwarzenbek ist Partnerstadt von Haimen, eine für chinesische Verhältnisse überschaubare Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern in der Nähe von Shanghai. Und in Haimen hat Zhu seine Firmenzentrale. In der Imagebroschüre seines Konzerns präsentiert er sich mit Regierungschef Wen Jiabao, auf anderen Fotos besucht er Kindergartenkinder, die er unterstützt. Die Schwarzenbeker haben zahlreiche Delegationsreisen nach Haimen organisiert, 2008 hat der Bund der Steuerzahler die Trips sogar in sein Schwarzbuch der unnötigen Steuerausgaben aufgenommen. "Doch es braucht eben, bis die Chinesen Vertrauen fassen", sagt Thiede.

Huang Hao kennt ein weiteres Argument, das für Schwarzenbek spricht: die Lage. Die Stadt liege mitten in Europa, "mitten in dem Markt, den wir erreichen wollen", sagt der Chinese, der im Rathaus bereits seit Wochen im Auftrag Zhus die Ansiedlung begleitet und hier besonders die "fleißigen Menschen" schätzt.

Für deutsche Behörden ist das Tempo der Chinesen eine Herausforderung

"Wir wissen natürlich, dass wir schnell sein müssen, dass wir die kurzen Wege einer kleinen Verwaltung nutzen müssen, um das Tempo der Chinesen mitgehen zu können", sagt Bauamtsleiter Ralf Hinzmann, der ebenfalls schon "chinesisch" denkt: "Wir haben für die Brücke da draußen 30 Jahre gebraucht", deutet er auf eine Querung der Eisenbahnstrecke am Stadtgürtel. "Die Sutong-Brücke über den Jangtsekiang, ein Bauwerk von acht Kilometern, die haben die Chinesen in zwei Jahren gebaut."

Die Bewunderung scheint indes nicht einseitig zu sein. Tjan Thian-Fong, der chinesische HNO-Arzt in Schwarzenbek, hat die Kontakte in Haimen mitgeknüpft. "Er hat uns gesagt, was die Chinesen sagen und was sie meinen", sagt Thiede. Und Tjan ist überzeugt: "Die Chinesen lieben die Deutschen." Sie seien dankbar, bald in Schwarzenbek arbeiten zu dürfen. "Die Familien werden sich hier wohlfühlen", sagt Tjan, "sauwohl."