Kauf von Staatsanleihen wird nicht deutlich aufgestockt. Aber billiges Geld für Banken

Hamburg. Jean-Claude Trichet will sich vom Finanzmarkt nicht erpressen lassen. So kann man die Entscheidung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) deuten, entgegen den Erwartungen etlicher Marktteilnehmer den Ankauf von Staatsanleihen der in die Schuldenkrise gerutschten Euro-Länder nicht kräftig auszuweiten. "Das Ankaufprogramm geht weiter, ich wiederhole: Es geht weiter", sagte Trichet in Frankfurt. Die "überwältigende Mehrheit" des EZB-Rats habe dies beschlossen. Eine Obergrenze für das Programm nannte Trichet nicht.

Bislang hat die EZB für rund 67 Milliarden Euro Staatsanleihen der Länder Griechenland, Irland, Portugal und Spanien gekauft. In Finanzkreisen war spekuliert worden, Trichet könnte zusätzliche Ankäufe in immensen Größenordnungen - von bis zu einer Billion Euro war die Rede - ankündigen, um den alarmierenden Anstieg der Risikoaufschläge bei diesen Papieren zu stoppen. Auch von politischer Seite hatte man versucht, Druck auf die EZB auszuüben: Ein Vertreter der spanischen Regierung hatte zuvor erklärt, bei ausbleibenden Signalen der Währungshüter sei ein Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs noch vor dem regulären Gipfel am 16. Dezember praktisch unvermeidlich. In Brüssel dementierte man dies umgehend.

In einem anderen Punkt jedoch beugte sich Trichet eben doch den Umständen: Die EZB setzt mindestens bis April die Rundumversorgung der Banken mit Zentralbankgeld fort. Eigentlich hatte man vorgehabt, aus der Politik des billigen Geldes auszusteigen. "Angesichts der Spannungen am Markt wäre ein Abweichen von der bisherigen Linie aber nicht opportun", sagte Stefan Grothaus, Analyst bei der WGZ Bank, dem Abendblatt.

Im EZB-Rat war man sich über diesen Aufschub aber offenbar ebenso wenig einig wie zuvor beim Beschluss des Anleihenankaufsprogramms. "Wenn man es dogmatisch betrachtet, widersprechen diese Entscheidungen dem ursprünglichen Ziel der EZB, für Geldwertstabilität zu sorgen", sagte Carsten Klude, Chefvolkswirt des Hamburger Privatbankhauses M.M.Warburg & CO. "Grundsätzlich erhöhen sich damit die Inflationsrisiken, auch wenn derzeit nicht zu erkennen ist, dass die Geschäftsbanken das Zentralbankgeld verwenden, um spürbar mehr Kredite zu vergeben."

Auf etwas längere Sicht aber stelle sich dies anders dar, meint Thorsten Polleit, Deutschland-Chefökonom bei Barclays Capital: "Wenn die gegenwärtige Politik weitergeführt wird, wird es wohl Inflation, vielleicht sogar sehr hohe Inflation geben", sagte Polleit der "Börse Online".

Den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB stuft er als problematisch ein, denn solche Käufe stellten drastische Eingriffe in die Preisbildung der Zinsmärkte dar. Außerdem sei unklar, wie ein Ausstieg aus dieser Politik aussehen solle.

Letztlich habe Trichet jedoch einen "pragmatischen Ansatz" gewählt, sagte Klude: "Die EZB würde sich ja selbst infrage stellen, wenn sie in Kauf nähme, dass die Währungsunion auseinanderbricht." Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg, weist zudem darauf hin, dass die bisher von der EZB für Anleihekäufe ausgegebenen Beträge vergleichsweise "sehr gering" sind: Die US-Notenbank Fed habe für ein ähnliches Programm bislang nahezu 2000 Milliarden Dollar (1540 Milliarden Euro) aufgewendet, die britische Zentralbank 200 Milliarden Pfund (236 Milliarden Euro).

Offenbar setzt Trichet aber darauf, dass er das Ankaufprogramm zumindest nicht drastisch aufstocken muss: "Man hofft, dass sich die Märkte auch so beruhigen", sagte Grothaus. Ob diese Rechnung aufgeht, muss sich erst noch erweisen. Zumindest einen ersten Test hat Trichets Strategie schon bestanden: Nachdem der Euro-Kurs gestern als Reaktion auf die Ankündigungen zunächst um rund einen US-Cent abrutschte, stieg er später bis deutlich über den Ausgangswert an.

Sollte es sich aber erweisen, dass die klaren Signale der EU-Regierungen, die nötigen Reparaturen an der Finanzpolitik vornehmen zu wollen, nicht ausreichen, um die übernervösen Märkte zu überzeugen, dann könnte eben doch wieder die EZB gefragt sein, meint Schmieding. Anders als eine Regierung könne sie schließlich nahezu unbegrenzte Geldbeträge in der eigenen Währung mobilisieren - und damit eine Finanzkrise stoppen.