Niedrigster Stand seit 2001. Aber 68 000 Jobsuchende nicht in der offiziellen Statistik

Hamburg. Nach den ereignisreichen Tagen um das Ende der Hamburger Regierungskoalition nutzte Wirtschaftssenator Ian Karan gestern die Chance, positive Nachrichten zu verkünden. Zusammen mit Rolf Steil, dem Chef der Hamburger Arbeitsagentur, verlegte er die Arbeitsmarktbilanz ins Rathaus und trug dort neue Rekordzahlen vor. So bedeuten 69 190 Arbeitslose das beste November-Ergebnis seit 1993 und gleichzeitig den niedrigsten Bestand an Arbeitslosen seit September 2001. Innerhalb von zwölf Monaten wurden 13 300 Jobs geschaffen. Und auch im kommenden Jahr soll die Arbeitslosigkeit um knapp zehn Prozent zurückgehen. "Der Aufschwung", da ist sich Karan sicher, "hat den Arbeitsmarkt voll erfasst."

Das gilt nicht nur für die Hansestadt. Auch bundesweit setzt sich die Erholung fort. So ging die Zahl der Menschen ohne Job im Vergleich zum Oktober um weitere 14 000 auf 2,931 Millionen zurück. Zwar blieb die Arbeitslosenquote mit 7,0 Prozent gegenüber Oktober unverändert. Allerdings waren vor einem Jahr noch 284 000 Menschen mehr ohne Arbeitsplatz. 484 000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden bundesweit im Vergleich zum September 2009. Berechnet auf alle Erwerbstätigen liegt das Plus zum Oktober 2009 bei 405 000 - ein Anstieg auf mehr als 41 Millionen.

Der positive Trend auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich fortsetzen

Experten hatten zwar eine noch stärkere Verbesserung erwartet. "Trotzdem ist die Erholung intakt", sagt Lothar Hessler vom Bankhaus HSBC Trinkaus. "Der positive Trend dürfte sich fortsetzen." Davon geht auch Michael Bräuninger aus. "Die gute Entwicklung in Deutschland ist die Folge der moderaten Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren, der flexibleren Arbeitszeiten sowie des stärkeren Drucks der Politik, Arbeitsplätze auch bei geringen Löhnen anzunehmen", sagt der Konjunkturchef des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Firmen habe zu den wieder steigenden Exporten beigetragen, sodass die Firmen rasch aus der Krise steuern konnten. "Die Entwicklung am Arbeitsmarkt lässt nun die Löhne steigen und stützt die Binnennachfrage", so Bräuninger.

Doch die positive Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch immer viele Menschen ohne regelmäßige Arbeit gibt, die in den offiziellen Arbeitslosenzahlen nicht mitgerechnet werden. Dabei geht es etwa um die Ein-Euro-Jobs, von denen in Hamburg (siehe Tabelle) derzeit mehr als 9000 existieren, bundesweit sind es 310 000. Berechnet man die Arbeitslosenquote unter Einschluss aller Maßnahmen, die auch von der Arbeitsagentur gefördert werden, kommt man für Hamburg statt auf 7,5 auf 14,8 Prozent.

"Skeptisch" sieht auch der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel die Zahlen der Arbeitsagenturen. "Auf dem Arbeitsmarkt gibt es immer mehr befristete Verträge und allein 6,5 Millionen Menschen arbeiten für Niedriglöhne", sagt Hickel. Die Hälfte der knapp 500 000 Neueinstellungen betreffe Zeitarbeitsplätze. Studien zeigen dabei, dass diese Menschen von ihren Arbeitgebern trotz des Fachkräftemangels kaum in feste Anstellungen übernommen würden. "Sie werden zur eisernen Reserve der Personalplaner."

Migranten sollen mehr Chancen auf einen Job bekommen

In Hamburg sieht Agentur-Chef Steil vor allem drei Möglichkeiten, um den Fachkräftebedarf der Firmen zu decken. Jeder Schüler soll zumindest den Hauptschulabschluss haben, Firmen sollten flexiblere Angebote für Mütter machen und schließlich sollte die Qualifikation von Migranten besser anerkannt oder die Betroffenen sollten gezielt weitergebildet werden. "Unsere Erfolgsquoten bei der Vermittlung von Menschen in neue Jobs liegen bei Qualifizierungen zwischen 40 und 70 Prozent. Ebenfalls 70 Prozent der von der Agentur geförderten Selbstständigen sind nach drei Jahren noch aktiv", sagte Steil. Im kommenden Jahr werden die finanziellen Mittel der Agentur für die Programme zwar weiter bei 175,4 Millionen Euro liegen. Das Budget der team.arbeit.hamburg, die sich vor allem um Langzeitarbeitslose kümmert, soll aber von 188 Millionen Euro auf gut 130 Millionen Euro sinken.

"Das ist die falsche Nachricht vom Bund für die Langzeitarbeitslosen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um ihnen beim Job-Einstieg zu helfen", kritisierte Wirtschaftssenator Karan. Er appellierte gestern an Hamburgs Firmen, dafür mit der Arbeitsagentur und der team.arbeit zusammenzuarbeiten.

Zum Thema Fachkräftemangel hatte sich Karan jedoch eine weitere gute Nachricht reserviert: Die Zahl der Lehrstellen steigt. "Sie liegt in Hamburg im Herbst mit 12 000 um 1000 höher als 2009", sagte der Senator. Zum Jahresende sollen es mehr als 14 000 werden.