Auch Portugal und Spanien könnten unter den Rettungsschirm schlüpfen. Diskussion über weitere Hilfsmaßnahmen

Hamburg. Spitzenpolitiker auf der Iberischen Halbinsel sind sich einig: Ihre Schuldenprobleme bekommen sie ohne EU-Unterstützung in den Griff. Jedenfalls geben sie sich alle Mühe, dies der Öffentlichkeit - und den potenziellen Käufern von Staatsanleihen - zu vermitteln. So versicherte Portugals Regierungschef José Sócrates vor wenigen Tagen, sein Land benötige "keinerlei Hilfe". Auch Spaniens Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado und Ministerpräsident José Luis Zapatero betonen bei jeder Gelegenheit, man werde das Schuldenproblem aus eigener Kraft in den Griff bekommen. Zapatero hatte Spekulationen, Madrid werde Finanzhilfen in Anspruch nehmen müssen, im Mai gar als "total verrückt" bezeichnet.

Allerdings hat man inzwischen gelernt, derartige Beteuerungen mit gehöriger Skepsis zur Kenntnis zu nehmen. Schließlich hatte Griechenlands Finanzminister noch im März gesagt, das Land verlange "von niemandem Geld". Und gar noch in der vergangenen Woche behauptete der irische Regierungschef Brian Cowen, man brauche den Rettungsschirm nicht.

Zinsen von iberischen Staatsanleihen steigen immer weiter

Investoren jedenfalls misstrauen den Beschwichtigungsversuchen offenbar. So kletterten die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen gestern weiter bis auf knapp 6,9 Prozent, bei spanischen Papieren waren die Zinsen am Mittwoch erstmals seit 2002 wieder auf mehr als fünf Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Bei deutschen Titeln mit zehnjähriger Laufzeit liegt die Rendite nur bei gut 2,7 Prozent.

"Am Ende schaffen die Finanzmärkte die Fakten", sagte Kai Carstensen, Konjunkturchef des Ifo-Instituts in München, dem Abendblatt. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach Griechenland und Irland noch weitere Länder auf Finanzhilfen der Euro-Partner angewiesen sein werden, nach Einschätzung von Experten nicht gering. Ralph Solveen, Volkswirt bei der Commerzbank, sieht sogar ein "beträchtliches Risiko", dass die Renditeaufschläge portugiesischer Staatsanleihen weiter steigen und das Land bald ebenfalls unter den Rettungsschirm schlüpfen muss.

Spanien leidet schwer unter dem Platzen der Immobilienblase

Das glaubt auch Karl-Werner Hansmann, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg: "Die Portugiesen haben ähnlich wie die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt." Laut der jüngsten Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird Portugal im kommenden Jahr in die Rezession zurückfallen.

Im Vergleich zum westlichen Nachbarland ist Spaniens Schuldenstand noch geringer. "Außerdem handelt das Kabinett von Zapatero sehr entschlossen und kann die Pläne zur Haushaltskonsolidierung auch im Parlament durchsetzen, anders als die Minderheitsregierung in Portugal", so Hansmann. Doch dafür sieht sich das Land mit enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. "Spanien hatte einen völlig überdimensionierten Immobiliensektor, der nun zusammengebrochen ist", sagte Carstensen. Vor allem die nicht mehr benötigten Bauarbeiter hätten die Arbeitslosenquote auf rund 20 Prozent hochgetrieben. "Von diesen Größenordnungen kommt man nicht so schnell wieder herunter, denn Spanien hat nun ein Riesenproblem", meint Carstensen: "Der Staat muss sparen, weil schon die Sozialausgaben so hoch sind. Sparen müssen aber auch die Haushalte, die wegen der Finanzierung ihrer Immobilien in Schwierigkeiten geraten sind."

Vor diesem Hintergrund hält es Thorsten Polleit, Chefökonom von Barclays in Deutschland, nicht für abwegig, dass Portugal ebenso wie Spanien die EU-Hilfen brauchen wird. Ohne zusätzliche Sparanstrengungen dürfte die Bonität der Länder weiter unter Druck geraten, sagte er der Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Eine Rettung Spaniens könnte den EU-Hilfsfonds überfordern

Doch wenn Spanien noch hinzukommen sollte, könnte der gemeinsam von der EU und dem Internationalen Währungsfonds aufgespannte Rettungsschirm mit einem Volumen von zusammen 750 Milliarden Euro an seine Kapazitätsgrenzen stoßen, sagte Hansmann. Allerdings macht man sich offenbar schon Gedanken über die Konsequenzen: "Wenn der Betrag nicht ausreicht, könnten wir ihn erhöhen", sagte Bundesbank-Präsident Axel Weber. Einem Bericht des "Wall Street Journals" zufolge hat die EU-Kommission eine Verdopplung des europäischen Anteils am Rettungsschirm von derzeit 440 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Derartigen Überlegungen steht Hansmann äußerst kritisch gegenüber: "Ein solcher Schritt würde dem Anwerfen der Notenpresse gleichkommen." Damit aus der Euro-Zone keine Transferunion mit einem ständigen Strom von Finanzhilfen an Schuldensünder wird, müsse für den Rettungsfonds "sehr schnell eine Anschlusslösung gefunden werden, die auch die privaten Investoren am Risiko beteiligt", meint Carstensen. Nur: Damit steigen die Zinsen kurzfristig noch weiter.