Hamburg muss um Zubringerverkehre kämpfen. Interview mit Ex-Staatsrat Gunther Bonz

Hamburg. Die Elbvertiefung ist nur eine der Herausforderung für den Hamburger Hafen. Gunther Bonz, ehemaliger Hamburger Staatsrat und heute Generalbevollmächtigter bei Eurogate sowie Präsident der europäischen Organisation der Terminalbetreiber Feport, sieht weitere Risiken.

Hamburger Abendblatt:

Die neuen Probleme bei der Vertiefung der Elbe hören Großreedereien sicher ungern. Werden jetzt Linien aus Hamburg abgezogen?

Gunther Bonz:

Nein. Aber derzeit sind weltweit schon mehr als 200 Riesenschiffe unterwegs - und bis Ende 2012 sind weitere 56 Frachter mit mehr als 10 000 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU) bestellt. Sie sind für die Strecken zwischen den Kontinenten am wirtschaftlichsten, und die Reeder wollen ihre Tragfähigkeit ausnutzen.

Bleibt Hamburg wenigstens für kleinere Frachter ein wichtiger Hafen?

Bonz:

Bei ihnen besteht das Risiko, dass künftig weniger in den Hafen kommen. Diese Schiffe mit 3000 bis 6000 TEU werden nicht verschrottet, sondern in Zukunft für Fahrten innerhalb Asiens, zwischen Nordamerika und Südamerika und auf europäischen Strecken eingesetzt.

Welche Gefahr droht dadurch Hamburg?

Bonz:

Diese mittelgroßen Schiffe können als Feederschiffe in die Ostseeregion eingesetzt werden, passen aber nicht mehr durch den Nord-Ostsee-Kanal. Diese Verbindung ist ein großer Vorteil Hamburgs, wenn Waren aus dem Hafen in die Ostseestaaten gebracht werden sollen. Künftig könnten mittelgroße Schiffe beispielsweise aus nordafrikanischen Häfen direkt bis nach Russland fahren. Hamburg würde dann in seiner Stellung als Zubringerhafen geschwächt. Eine solche Verbindung besteht bereits.

Hamburg hat die weltbesten Eisenbahnverbindungen für den Weitertransport von Waren. Zählt das nicht mehr?

Bonz:

Doch, aber um die Zielgebiete in Osteuropa, die derzeit ihre Güter über Hamburg beziehen, wird der Wettbewerb härter. Adriahäfen wie Triest, Rijeka oder insbesondere Koper haben inzwischen eigene Eisenbahnverkehre entwickelt. Diese Linien zielen auf Länder wie Tschechien, Ungarn oder Rumänien. Diese Häfen können Hamburg von Süden her Ladung abgraben, wenn wir nicht aufpassen.

Welchen Kurs sollte die Stadt steuern?

Bonz:

Vordringlich ist die Elbvertiefung. Auch muss darüber entschieden werden, wo Investitionsschwerpunkte gelegt werden, ob man zum Beispiel mehrere Hundert Millionen Euro für einen neuen Großschiffcontainerterminal im Mittleren Freihafen ausgeben will. Die Kapazitäten der Containerterminals in Hamburg für Seeschiffe reichen nach den geplanten Ausbaumaßnahmen für einen Umschlag von 20 Millionen TEU aus. Lkw, Bahn und Binnenschiff können solche Mengen kaum aufnehmen.

Güter gehören auf die Schiene ...

Bonz:

Ja, deshalb muss hier ein Schwerpunkt gelegt werden. Hamburg hat es bisher beispielsweise versäumt, sich für die Fehmarnbelt-Brücke einzusetzen. Dabei kann eine Schienenverbindung über den Belt Dänemark und Schweden optimal an Hamburg anbinden.

Sollte auf den Bau des Terminals verzichtet werden?

Bonz:

Warum dort nicht Anlegestellen für Binnenschiffe schaffen, die Waren aufnehmen könnten, die sonst auf den Lkw gehen? Um möglichst viele Feederschiffe an den Hafen zu binden, könnte der Terminal zudem zur zentralen Anlaufstelle für diese Frachter ausgebaut werden. Rotterdam hat bereits ein solches Terminal. Es spart den Feederschiffen das zeit- und kostenaufwendige Anlaufen mehrerer Terminals im Hafen, wie es in Hamburg notwendig ist. Hier würden die Umschlagsfirmen die Umfuhren sogar mit organisieren.