Aufgaben sollen zentral gesteuert werden. Auch Hamburg könnte Arbeitsplätze verlieren

Hamburg. Erst vor wenigen Wochen hat der neue schwedische Vattenfall-Konzernchef Øystein Løseth sein Bekenntnis zum Standort Deutschland bekräftigt. Doch nun wird immer deutlicher, dass sich das Unternehmen auch hierzulande von Beteiligungen trennen will. Denn Vattenfall braucht Geld, nachdem sich das Unternehmen im vergangenen Sommer mit der 8,5 Milliarden Euro teuren Übernahme des niederländischen Energiekonzerns Nuon vermutlich überhoben hat. Jetzt muss der Versorger, der in Hamburg rund 3500 Mitarbeiter beschäftigt und im Strombereich Marktführer ist, nicht nur Kosten sparen, sondern auch Tafelsilber verkaufen.

Neben Kraftwerken in Polen und Finnland will Vattenfall in Deutschland Minderheitsbeteiligungen verkaufen. So plant das Unternehmen, seinen 24,9-prozentigen Anteil an den Stadtwerken Kassel loszuschlagen, wie Vattenfall-Sprecher Steffen Hermann dem Abendblatt sagte. In Rostock will der Versorger zudem nach Informationen des Abendblatts 25 Prozent an einem dortigen Kraftwerk veräußern, in Dresden sollen knapp 21 Prozent der Enso Strom Sachsen den Besitzer wechseln. Vattenfall wollte diese Informationen gestern nicht kommentieren.

In Berlin nimmt der Konzern gleichzeitig einen zweiten Anlauf, um seine 32-Prozent-Beteiligung am Gasversorger Gasag zu verkaufen. Das Vorhaben war im vergangenen Frühjahr gescheitert, weil sich angesichts der Wirtschaftskrise kein Übernehmer fand. Der Schweriner Versorger Wemag mit seinen Anteilen an den Stadtwerken Rostock und Lübz (Mecklenburg) wurde bereits vor Jahresfrist für 170 Millionen Euro an einen Verbund von Kommunen vergeben.

Der Konzern will insgesamt 648 Millionen Euro einsparen

"Wir brauchen jetzt wohl drei Jahre, um uns zu konsolidieren", gab Løseth kürzlich die künftige Richtung vor und kündigte ein Sparprogramm mit weniger Investitionen, Personalabbau, dem Verkauf von Kohlekraftwerken und dem Ausstieg aus einigen Ländern an. Vattenfall will damit seine Ertragskraft steigern und Schulden abbauen. Konkret will das Unternehmen sechs Milliarden Schwedische Kronen (rund 648 Millionen Euro) einsparen. Ein kommender Personalabbau soll möglichst über natürliche Fluktuation erzielt werden. Vattenfall hat dazu bereits Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen. Auch die Investitionen werden für die kommenden fünf Jahre auf umgerechnet 17,8 Milliarden Euro gesenkt. Bislang waren für diesen Zeitraum rund 21,7 Milliarden vorgesehen.

Gleichzeitig sollen aber auch die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Vattenfall will langfristig weg von Atom- und Kohlekraft. Vor allem die schwedische Regierung wünscht sich diesen Strategiewechsel von dem im Staatseigentum befindlichen Konzern. "Mit seiner strategischen Neuausrichtung schlägt Vattenfall ein neues Kapitel in seiner Unternehmensgeschichte auf", so Løseth, der gleichzeitig die europaweiten Vattenfall-Geschäftseinheiten über eine Entregionalisierung stärker an die Unternehmenszentrale in Stockholm binden will.

Welche Auswirkungen dies für den Standort Hamburg konkret haben wird, ist noch nicht klar. Aber die neue Strategie wird auch Veränderungen in der Hansestadt mit sich bringen. Nach der Liberalisierung des Strommarktes 1998 ist Vattenfall in Deutschland mit dem Prinzip angetreten, auf jeden der Unternehmensstandorte (Berlin, Hamburg, Cottbus) Verantwortlichkeiten für Geschäftsbereiche zu übertragen. So ist in Hamburg zum Beispiel der deutsche Strom- und Gashandel ansässig oder auch die IT-Sparte des Konzerns. Jetzt will Løseth dieses Prinzip der Regionalisierung wieder aufheben und die Verantwortung für Geschäftsbereiche zentral für den Gesamtkonzern vermutlich in Stockholm bündeln. Ein Ziel sei dabei, Synergien zu heben. Im Klartext: Die Schweden wollen mit dieser Strategie Kosten senken.

Erst gestern hat Vattenfall ein neues Hauptverteilwerk in Lokstedt in Betrieb genommen, mit dem 250 000 Hamburger Haushalte mit Strom versorgt werden können. Doch die Zukunft für mehrere Hundert Mitarbeiter, die für das Hamburger Stromnetz zuständig sind, ist ungewiss.

Vattenfall könnte zum Stromhersteller ohne eigenes Netz werden

2014 könnte die Stadt die Konzession an andere Anbieter vergeben und sich dabei selbst mit einem Minderheitsanteil engagieren. Den gleichen Trend zur Rekommunalisierung gibt es in Berlin. Vattenfall könnte ein Stromproduzent ohne Netz werden. Schon im Mai hatte Deutschland-Chef Tuomo Hatakka (53) das deutsche Höchstspannungsnetz für 810 Millionen Euro an ein ausländisches Konsortium verkauft.