Nach Eskalation im Tarifstreit stehen Ende Oktober Regionalzüge still - auch in Hamburg

Hamburg/Fulda. Für Bahnkunden wird es wieder unbequem. Um Druck in den laufenden Tarifverhandlungen zu machen, haben die Gewerkschaften Transnet und GDBA für die übernächste Woche zu Warnstreiks aufgerufen. Betroffen ist der gesamte Bahn-Regionalverkehr, in Großstädten wie Hamburg möglicherweise auch die S-Bahn. "Diese Warnstreiks werden wehtun", kündigten die Spitzen der beiden Gewerkschaften an.

Aufgerufen sind Angestellte der Deutschen Bahn und ihrer wichtigsten privaten Konkurrenten. Wann und wo gestreikt wird, solle in den kommenden Tagen entschieden werden, teilten Transnet und GDBA mit. Zunächst solle die Arbeit aber nur stundenweise niedergelegt werden. Ziel sei es, die Unternehmen im Bahn-Regionalverkehr empfindlich zu treffen. Transnet-Chef Alexander Kirchner und GDBA-Vorsitzender Klaus-Dieter Hommel erklärten, bei den Streiks werde es sich "nicht nur um Nadelstiche handeln". Mit 222 000 Mitgliedern ist Transnet die größte deutsche Bahngewerkschaft, die GDBA hat rund 30 000 Mitglieder.

Ausgehandelt wird die Zukunft von 35 000 Beschäftigten im Nahverkehr

Grund der geplanten Warnstreiks sind die nach Ansicht der Gewerkschaften festgefahrenen Verhandlungen im aktuellen Tarifstreit, den Transnet und GDBA gleich an zwei Fronten ausfechten: Auf der einen Seite stehen ihnen sechs private Eisenbahnunternehmen gegenüber, die jedoch eine gemeinsame Linie verfolgen. Die andere Front wird von der Deutschen Bahn gebildet.

Im Kern fordern die Gewerkschaften einen einheitlichen Branchentarifvertrag, der das Lohnniveau, das für 90 Prozent der Beschäftigten gilt, für alle verbindlich machen soll. Denn die Löhne der privaten Wettbewerber liegen teils mehr als 20 Prozent unter denen der Deutschen Bahn. Um bei Streckenausschreibungen wettbewerbsfähig zu bleiben, reagiert der Konzern mit der Ausgründung von Tochterunternehmen, die wiederum nicht tarifgebunden sind und ihren Angestellten ebenfalls billigere Löhne zahlen. Ihre Zustimmung zu einem einheitlichen Branchentarif macht die Bahn von einer Einigung der Gewerkschaften mit den Konkurrenzunternehmen abhängig. Alles in allem geht es dabei um die Zukunft von 35 000 Beschäftigten, die im Nahverkehr tätig sind.

Nach Gewerkschaftsangaben war zuletzt keine Bewegung in diesem Konflikt zu erkennen. "Die Deutsche Bahn profitiert vom Status quo, da sie über ihre Billigtöchter ebenfalls die Lohnunterschiede ausnutzen kann", kritisierten die Gewerkschaftschefs Kirchner und Hommel. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), die ebenfalls mit am Verhandlungstisch sitzt, will sich an dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung von Transnet und GDBA nicht beteiligen. "Wir streiken jetzt nicht, wir verhandeln", sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert dem Abendblatt.

Sowohl die Deutsche Bahn als auch der Verbund der privaten Wettbewerber reagierten mit Unverständnis auf die Streikankündigung. Schließlich habe man schon einen weiteren Verhandlungstermin für den 29. Oktober, teilte die Bahn mit. "Ein vernünftiger Kompromiss für einen Branchentarifvertrag im Nahverkehr ist machbar", sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Auch die Privatunternehmen sehen weiterhin die "reelle Chance", einen gemeinsamen Tarifvertrag abzuschließen.

Betroffene gehen bei Zugausfällen und Verspätungen leer aus

Bei der Deutschen Bahn handelt es sich um die erste Arbeitsniederlegung seit drei Jahren. Ein Sprecher sagte auf Abendblatt-Anfrage, man werde selbstverständlich alles dafür tun, die Auswirkungen von Streiks für die Reisenden so gering wie möglich zu halten "und unsere Kunden über betriebliche Einschränkungen und eventuelle Ersatzmaßnahmen zu informieren".

Transnet und GDBA, die ab 1. Dezember als gemeinsame Organisation unter dem Namen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auftreten, geben zwar aus streiktaktischen Gründen keine Details bekannt - dennoch ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Hamburger betroffen sind. Möglich ist dabei eine Beeinträchtigung im S-Bahn-Verkehr, in erster Linie jedoch bei den Regionalzügen ins und aus dem Umland. Vor allem Pendler dürften zu den Leidtragenden zählen. Betroffene können bei Zugausfällen und Verspätungen dabei nicht auf ihre Fahrgastrechte pochen. Weder müssen die Bahnen Tickets erstatten noch Taxi- oder Hotelkosten übernehmen. Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp), sagte: "Wie Unwetter werden Warnstreiks juristisch als außergewöhnliche Ereignisse betrachtet, da sie von den Gewerkschaften in der Regel lange geheim gehalten werden."