Der Posten des Bahnchefs ist nichts für die dünnhäutigeren unter den Topmanagern. Selbst wenn Rüdiger Grube dies beim Amtsantritt vor 15 Monaten nicht gewusst haben sollte, wäre er inzwischen wohl zwangsläufig zu dieser Erkenntnis gelangt: Im Sommer bekam er die Empörung in der Öffentlichkeit angesichts ausgefallener ICE-Klimaanlagen zu spüren, aktuell trifft ihn im Streit um Stuttgart 21 der Zorn der Gegner des Großprojekts - und wenn demnächst Regionalzüge wegen Warnstreiks ausfallen sollten, dürfte dies seine Sympathiewerte auch nicht steigern, obwohl er dafür nur mittelbar verantwortlich ist.

Schließlich wird in diesem Fall der Tarifkonflikt in erster Linie zwischen den Gewerkschaften und der privaten Bahn-Konkurrenz ausgetragen. Und diese Unternehmen sind um ihre Verhandlungsposition ebenfalls nicht zu beneiden. Denn nach dem Ende der Wirtschaftskrise hat das Gewerkschaftslager die Devise ausgegeben, nun gebe es bei den Tarifabschlüssen Nachholbedarf.

Hinzu kommt: Die Position der Arbeitnehmervertreter, die eine Angleichung der Löhne zwischen der Bahn und den - von niedrigeren Personalkosten profitierenden - privaten Wettbewerbern anstreben, hat einiges für sich. Denn mit diesem Kurs soll verhindert werden, dass der Konkurrenzkampf über die Gehälter der Belegschaften ausgetragen werden kann. Im Interesse von vielen Hunderttausend Pendlern kann man jedoch nur hoffen, dass die Bahngewerkschaften ihr erhebliches Erpressungspotenzial mit Augenmaß nutzen.