Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor Turbulenzen an den Märkten. Wie groß ist die Gefahr für Deutschland? Eine Analyse.

Hamburg. Die Entwicklung ist heikel, sie könnte den ersehnten Aufschwung nach der Weltwirtschaftskrise zunichte machen. Genau genommen ist es eine Spätfolge der globalen Krise: So heftig wie seit Jahrzehnten nicht versuchen große Wirtschaftsmächte, ihren Volkswirtschaften mit billigem Geld und niedrigen Währungskursen Vorteile zu verschaffen. In einem offenen Welthandel mit freien Kapitaltransfers schlägt das schnell auf andere Länder durch. Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), warnte vor einer Eskalation der Lage: "Es breitet sich ganz deutlich die Idee aus, dass Währungen als politisches Druckmittel genutzt werden können", sagte er der "Financial Times" vor der IWF-Jahrestagung, die am Freitag in Washington beginnt.

Seit Jahren steht China unter Druck, seine Währung Yuan aufzuwerten

Währungskurse sind ein wichtiger Faktor für die Stärke einer Volkswirtschaft. Die Effekte von Wechselkursschwankungen sind komplex, generell aber gilt: Je geringer eine Währung bewertet wird, desto billiger werden die Produkte, die in einem bestimmten Land hergestellt werden. Im Fokus steht deshalb bereits seit Jahren China, dessen Exportwirtschaft seit langer Zeit wegen niedriger Löhne und einfach herzustellender Massenprodukte boomt. Vor allem deshalb wurde China zur "Werkbank der Welt". Der Druck auf die chinesische Regierung, die Landeswährung Yuan zu verteuern, steigt vor der IWF-Jahrestagung und dem G20-Gipfel der 20 führenden Wirtschaftsnationen im November noch einmal an. "Wir müssen mit den chinesischen Partnern über das Thema sprechen", sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gestern. "Ich glaube schon, dass man das vermitteln kann." Brüderle reist kommende Woche nach China.

Die jüngsten Unruhen an den Geldmärkten hat Japans Notenbank ausgelöst. Seit Beginn der 90er-Jahre versucht das Land, aus seiner Dauerkrise herauszukommen. Weil das nicht gelingt, will die Zentralbank in Tokio mit einer Nullzinspolitik das Geld im Land billiger machen und damit zugleich den Außenwert des Yen drücken.

Hauptverantwortlich für das weltweite Währungschaos sind nach Ansicht des US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz allerdings die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB). Die von ihnen mit ihren Antikrisenmaßnahmen ausgelöste "Liquiditätsflut" destabilisiere die globalen Devisenmärkte, sagte Stiglitz in New York. "Die Ironie ist, dass die Fed für all diese Liquidität in der Hoffnung sorgt, dass sie die US-Wirtschaft beleben wird." Doch sorge sie nur für Chaos im Rest der Welt.

Die US-Zentralbank pumpte seit Beginn der Weltwirtschaftkrise Ende 2007 allein 1,7 Billionen - 1700 Milliarden - Dollar durch den Ankauf von Staatsanleihen in den Markt. Die Zentralbankzinsen liegen derzeit bei null. Ein schwacher Dollar reduziert rechnerisch die gigantischen Staatsschulden der weltweit größten Volkswirtschaft, und er macht Exporte billiger. Dafür aber fliehen Anleger verstärkt in starke Währungen wie vor allem in den Euro. Aufstrebende Staaten wie Brasilien wiederum versuchen, den Kapitalmarkt zu regulieren, damit Landeswährungen wie der Real nicht zu teuer werden und die eigenen Exporteure leiden.

"Die USA und Japan haben die jüngste Entwicklung angefacht, um über die Währung ihre heimischen Konjunkturprobleme zu bekämpfen", sagt der Ökonom Jörg Hinze vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). "Wenn jetzt auch noch die Europäische Zentralbank verstärkt Geld in den Markt pumpen würde, könnte das in einer gefährlichen Spirale von Abwertungen enden."

Experten geben Entwarnung für Deutschland

Deutschland als eine der wichtigsten Exportnationen könnte von reihenweisen Abwertungen anderer Währungen empfindlich getroffen werden - zumindest in der Theorie. Praktisch sehen viele Experten diese Gefahr derzeit allerdings nicht: "Noch vor wenigen Monaten haben wir uns hier große Sorgen vor einem Verfall des Euro- gegenüber dem Dollar-Kurs gemacht", sagt André Schwarz, Geschäftsführer des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

"Die Gleichung ,teurer Euro' schwächt die Exportwirtschaft, geht so einfach nicht auf. Entscheidend ist die internationale Nachfrage nach bestimmten, hochwertigen Gütern. Die Nachfrage ist da, und die deutsche Wirtschaft hat die Produkte." Auch ein schwacher Euro berge zudem Risiken: "Das verteuert den Einkauf von Rohstoffen und Vorprodukten für die deutschen Unternehmen."

Vor dem Ersten Weltkrieg galt der Goldstandard als wichtigstes Bezugssystem für die Schwankungen von Währungen, nach dem Zweiten Weltkrieg schuf man Bandbreiten innerhalb des sogenannten Währungssystems von Bretton Woods. Das allerdings zerfiel zu Beginn der 70er-Jahre. "Wir können heute in Europa froh sein, dass wir den Euro haben", sagt Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums. "Er sorge für Stabilität, und der größte Teil der deutschen Exporte gehe nach Europa. Eine neue Weltwährungsordnung, sagt der Geldmarktexperte, sei zwar "wünschenswert, aber derzeit völlig unrealistisch".