Der Vorstandsvorsitzende Manfred Behrens spricht im Abendblatt-Interview über Strategien und Imageprobleme der Finanzberatung.

Hannover. Es ist keine einfache Zeit für Finanzvertriebe: Der Absatz von Rentenversicherungen und Fonds läuft schleppend, die neuen, per Gesetz verschärften Anforderungen an die Berater machen der Branche zu schaffen. Hinzu kommt ihr ramponierter Ruf. Das Abendblatt sprach darüber mit AWD-Chef Manfred Behrens, 54. Von September 2008 bis März 2009 führte er das Unternehmen gemeinsam mit dessen Gründer Carsten Maschmeyer, seitdem ist Behrens alleiniger Vorstandsvorsitzender.

Hamburger Abendblatt:

Im vergangenen Jahr haben die Absatzzahlen in Ihrer Branche im zweistelligen Prozentbereich nachgegeben, außerdem sind die vier Marktführer in die roten Zahlen gerutscht. Lag das nur an der Krise oder zeigt dies auch eine generelle Schwäche des Marktes?

Manfred Behrens:

Wir haben es geschafft, nach der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren wieder nach vorn zu kommen: Im ersten Halbjahr hat AWD wieder ein leichtes Umsatzplus und einen Betriebsgewinn von gut 20 Millionen Euro erzielt. Das spricht dafür, dass unser Geschäftsmodell auch in diesen Zeiten trägt.

Dennoch läuft es für die Branche alles andere als blendend. Fehlt es den potenziellen Kunden an Einsicht in die Bedeutung privater Altersvorsorge oder schlicht an Geld?

Behrens:

Ich habe gerade meine neue Renteninformation erhalten. Darin steht ganz eindeutig, dass private Vorsorge immer wichtiger wird. Das ist im Prinzip eine staatliche Werbung für uns. Vor Jahren ist es schwierig gewesen, bei Kunden überhaupt einen Termin für ein Beratungsgespräch zu bekommen. Heute ist die Sensibilität für Vorsorgethemen schon viel größer. Aber dies ist noch immer ein Verkäufermarkt: Ich kenne nur wenige Menschen, die am Morgen aufstehen und sich sagen, "heute muss ich etwas für meine Altersvorsorge tun".

Was müsste geschehen, damit die Kunden aber auch wieder mehr Verträge tatsächlich abschließen?

Behrens:

Ich denke, es ist auch die Aufgabe der Politik, wieder stärker darauf hinzuweisen, dass die staatliche Rente allein längst nicht mehr ausreicht, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Das ist in letzter Zeit deutlich zu kurz gekommen. Dabei leben die Menschen immer länger - jedes zweite Mädchen, das heute geboren wird, erlebt voraussichtlich seinen 100. Geburtstag. Natürlich kostet die Vorsorge fürs Alter Geld, aber es würde schon helfen, zugunsten einer besseren Altersvorsorge zum Beispiel auf einen kleinen Teil des heutigen Konsums zu verzichten.

Der AWD hat zuletzt rund 700 selbstständige Vermittler verloren und will diesen Schwund nun aufholen. Wo sollen die Vermittler herkommen?

Behrens:

Aus der breiten Bevölkerung. Auch wenn der Beruf des Finanzvermittlers heute umfassende Kenntnisse voraussetzt, die von den IHKs geprüft werden, so wollen wir Finanzexperten anderer Unternehmen wie auch Branchenfremden eine Chance geben. Ich gehe davon aus, dass wir zum Jahresende rund 5400 selbstständige Berater haben, die natürlich alle entsprechend der staatlichen Anforderungen ausgebildet und geprüft sind.

Das Image der Strukturvertriebe ist schlecht. In der Öffentlichkeit gelten die Vermittler nicht selten als Menschen, die im Leben nicht viel Glück gehabt haben und die zunächst einmal ihre Bekannten bearbeiten, um Provisionen zu kassieren. Wie stehen Sie dazu?

Behrens:

Ich erlebe AWD seit zwei Jahren, und ich habe solche Vorurteile nicht bestätigt gefunden. Schwarze Schafe und Menschen, die als Glücksritter unterwegs sind, gibt es in vielen Branchen. Und was die Provisionen angeht: Auch Anwälte und Architekten erhalten für ihre Tätigkeit eine Gebühr. Was sollte verwerflich daran sein, dass unsere Vermittler für eine qualifizierte Finanzberatung eine Vergütung bekommen, von der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten?

Tatsächlich ist eine größere Zahl von Rechtsstreitigkeiten mit früheren AWD-Vermittlern anhängig. Sie machen geltend, in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein, weil AWD ihnen hohe Gebühren für die Nutzung firmeneigener Infrastruktur, zum Beispiel IT-Ausrüstung, in Rechnung gestellt habe.

Behrens:

Das ist aber nicht die Aktualität. Es gibt Altfälle, deren Wurzeln lange zurückreichen und die - leider auch in den Medien - immer wieder aufgewärmt werden. Mit dem heutigen AWD hat dies nichts mehr zu tun.

Was entgegnen Sie jenen Kunden, die Geld verloren haben, weil ihre über AWD vermittelten Investments fehlgeschlagen sind?

Behrens:

Wenn der Kunde höhere Risiken zugunsten entsprechend höherer Renditechancen in Kauf nehmen will, wird dies im Beratungsprotokoll dokumentiert. Wer in diesen Zeiten eine überdurchschnittliche Rendite möchte, weiß um das damit verbundene Risiko. Generell gilt: je höher die Rendite, desto höher das Risiko, und darauf weisen wir in den Beratungsgesprächen auch hin.

Ihr Vorgänger, der AWD-Gründer Carsten Maschmeyer, hat das Unternehmen vor allem durch Zukäufe groß gemacht. Werden Sie diese Strategie fortsetzen?

Behrens:

Wenn sich eine attraktive Gelegenheit ergeben sollte, schauen wir uns das an. Aber wir setzen primär auf organisches Wachstum.

Wie eng ist Ihr Kontakt heute noch zu Carsten Maschmeyer?

Behrens:

Herr Maschmeyer ist Mitglied im Verwaltungsrat unserer Muttergesellschaft Swiss Life. In diesem Zusammenhang haben wir regelmäßig Kontakt.

Sie haben viele Jahre bei der Hamburg-Mannheimer und bei der Volksfürsorge in Hamburg gearbeitet. Haben Sie auch heute noch Verbindungen dorthin?

Behrens:

Natürlich, eine Verbundenheit ist immer noch da. Außerdem bin ich in Stade geboren - ich bin und bleibe ein Nordlicht.