Scharfe Kritik kommt von Experten. Die Bundesregierung rechtfertigt die umstrittenen Sonderzahlungen der angeschlagenen Banken.

Hamburg. Nur ein kleiner Bruchteil aller Unternehmen in Deutschland erzielt einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich. Doch bei Banken waren derartige Beträge für die jährlichen Bonuszahlungen bis zur Finanzkrise nicht unüblich, und auch jetzt noch sorgen die Boni für Aufregung - vor allem dann, wenn sie in Geldhäusern fließen, die vom Staat gestützt werden.

In einem Berufungsverfahren kämpften gestern 14 Angestellte der ehemaligen Dresdner Kleinwort Investment Bank auf Zahlung von Boni zwischen 29.000 Euro und 450.000 Euro. Der Hintergrund: Im August 2008 hatte der Dresdner-Vorstand Bonuszahlungen von insgesamt 400 Millionen Euro bewilligt. Nach der Übernahme durch die Commerzbank, die zu 25 Prozent dem Bund gehört, wurde der Betrag um 90 Prozent gekürzt. Dagegen klagten die 14 Beschäftigten vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt und verloren wie schon in der ersten Instanz. Bei ihnen ging es um zusammen 2,37 Millionen Euro, aber in London und in New York setzen mehr als 100 Angestellte und Ex-Mitarbeiter auf weitere Gerichts- und Schlichtungsverfahren.

Beim verstaatlichten Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) hat eine Sonderzahlung von insgesamt 25 Millionen Euro erheblichen Wirbel ausgelöst. Die aktuellen Ausgleichszahlungen seien notwendig gewesen, um gute Mitarbeiter zu halten, sagte Michael Offer, Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der Aufbau einer Bad Bank innerhalb der HRE für Giftpapiere von rund 185 Milliarden Euro sei eine der komplexesten Transaktionen in der deutschen Finanzgeschichte und dafür benötige man "erfahrene und gute Mitarbeiter", so Offer. Insofern seien mit den Zahlungen auch die Interessen der Steuerzahler geschützt worden.

Allerdings zeigte der Bund dennoch Verständnis für die heftige Kritik von Politikern an dem Boni-Beschluss. "Wenn Menschen sagen, uns fällt schwer, das zu verstehen, dann kann die Bundesregierung das auch gut nachvollziehen", sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans.

Bei Experten stieß das Vorgehen bei dem staatseigenen Institut auf Ablehnung. Die 25-Millionen-Zahlung sei "zumindest instinktlos", sagte Hamburgs Börsenpräsident Friedhelm Steinberg dem Abendblatt. "Die HRE hätte da zurückhaltender sein sollen." Die Rechtfertigung der Bonusausschüttung hält Steinberg nicht für stichhaltig: "Man muss sich die Frage stellen, ob man die Beschäftigten nicht besser ziehen lassen sollte, wenn man sie nur mit solchen Sonderzahlungen halten könnte."

So sieht es auch der Finanzexperte Wolfgang Gerke. "Die Argumentation der Bundesregierung rechtfertigt nicht die Boni bei der HRE", sagte er dem Abendblatt. "Das kann man dem Steuerzahler nicht vermitteln." Wenn gute Mitarbeiter die Bank verlassen, "dann muss sie das in Kauf nehmen".

Für "moralisch fragwürdig" hält Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, Bonuszahlungen an Beschäftigte von staatlich gestützten Instituten. "Wenn man böse wäre, könnte man das als Sozialhilfe auf allerhöchstem Niveau bezeichnen, denn ohne die Hilfe der Allgemeinheit würden diese Mitarbeiter keinen Cent von ihrer Bank bekommen."

Immer wieder - so wie jetzt bei der Commerzbank - pochen die Beschäftigten jedoch auf Ansprüche aus ihren längst zuvor geschlossenen Arbeitsverträgen. "Wenn die Verträge irgendeinen Spielraum lassen, sollte man ihn nutzen, um die Bonuszahlung zu vermeiden", meint Steinberg. "Lassen sie keinen Spielraum, kann man immer noch versuchen, mit den Mitarbeitern darüber zu reden."

Abgesehen von der besonderen Problematik bei Banken, die Staatshilfen erhalten haben, lösen hohe Boni in der Bankenbranche immer wieder öffentliche Kritik aus. Burghof kann das durchaus nachvollziehen: "Die Grundidee, Beschäftigte nach ihrer Leistung zu bezahlen, ist zweifellos vernünftig. Aber in der Umsetzung ist diese Idee in vielen Fällen pervertiert worden." So habe man nur auf die Gewinne geschaut, ohne zu berücksichtigen, um welchen Preis sie erzielt wurden - "und man hat die Boni für eine exzessive Gehaltspolitik genutzt".

In den zurückliegenden Jahren sei der Anteil der variablen Vergütung stetig gestiegen, erklärte Steinberg: "Je größer dieser Anteil aber ist, umso größer ist häufig die Gier." Für fragwürdig hält der Börsenpräsident Bonusanteile von deutlich mehr als 50 Prozent des Festgehalts.

Änderungen an den Bezahlungsmodellen, wie sie sie die Aufsichtsbehörden, aber auch einzelne Geldhäuser wie die Deutsche Bank bereits auf den Weg gebracht haben, hält Gerke für dringlich: "Die Boni müssen auf nachhaltige Erfolge ausgerichtet sein und dürfen nicht so wie bislang das Eingehen hoher Risiken für kurzfristige Gewinne belohnen." Nach Auffassung von Steinberg sollten Bonuszahlungen aber auch an Qualitätskriterien wie etwa die Kundenzufriedenheit gebunden sein. Zwar hätten die Staaten als Konsequenz aus der Finanzkrise schon einige Änderungen an den Regeln veranlasst, doch das genüge offenbar nicht: "Es gibt leider schon wieder Sündenfälle."

Unterdessen lösen die Boni der HRE offenbar ein parlamentarisches Nachspiel aus: Der Finanzausschuss des Bundestages werde sich mit der Angelegenheit befassen, kündigte der Ausschussvorsitzende Volker Wissing (FDP) im Berliner "Tagesspiegel" an. Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider warf der Bundesregierung vor, die Bonuszahlung geheim gehalten zu haben.