Der spanische Mischkonzern ACS von Florentino Pérez will Mehrheit am größten deutschen Bauunternehmen erwerben

Essen/Madrid. An Energie und Selbstbewusstsein mangelt es Florentino Pérez, 63, nicht. Als Selfmademan baute er Spaniens größten Baukonzern ACS auf. Weil ihn das offenbar nicht auslastete, ließ er sich im Jahr 2000 und noch einmal 2009 zum Präsidenten des spanischen Fußballtraditionsvereins Real Madrid wählen. Nun will Pérez wieder an seinem Unternehmen bauen und an die Weltspitze in seiner Branche vorstoßen. Dazu greift er nach der Mehrheit bei Deutschlands größtem Baukonzern Hochtief. Zu dessen Großprojekten gehört auch der Bau der Hamburger Elbphilharmonie.

Auf die Offerte der Spanier reagierte der Hochtief-Kurs zunächst euphorisch

Ziel sei es, die Aktienmehrheit von 50,1 Prozent zu erreichen und damit Hochtief in die eigenen Bilanzen integrieren zu können, teilte ACS gestern mit. Durch einen Zusammenschluss der beiden Firmengruppen würde ein international agierender Baukonzern entstehen, der auf allen Kontinenten aktiv ist. Dem ACS-Angebot zufolge sollen Hochtief-Aktionären für fünf Anteile an dem Essener Unternehmen acht ACS-Anteile angeboten werden. Eine Nachbesserung soll es nicht geben. "Wir haben keine Eile. Wenn die notwendige Mehrheit nicht erreicht wird, kaufen wir weitere Aktien am Markt", sagte ACS-Vorstand Ángel García Altozano.

Der Übernahmeversuch durch ACS ist ein überraschender Schwenk in der bisherigen Beteiligungspolitik. Die Spanier haben in der Vergangenheit zwar in mehreren Schritten ein Aktienpaket an Hochtief von knapp 30 Prozent zusammengekauft. Nach dem Rückzug eines russischen Investors ist ACS nun größter Einzelaktionär. Eine Mehrheitsübernahme wurde bisher jedoch von ACS nicht angestrebt, auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder Spekulationen darüber gegeben hat. "Das war nie ein Thema", heißt es in Essen.

Bei Hochtief soll das Management von der Offerte daher überrascht worden sein. Sollten Vorstand und Aufsichtsrat das Übernahmeangebot der Spanier ablehnen, wäre es die zweite feindliche Übernahme in Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre. Nach aktuellem Börsenkurs von Hochtief hat das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von gut vier Milliarden Euro. Auf die Offerte der Spanier reagierte der Hochtief-Kurs zunächst euphorisch und legte zeitweise um neun Prozent zu. Zum Schluss des Handels betrug der Zuwachs noch 5,6 Prozent auf 57,48 Euro. Papiere von ACS legten, nachdem sie kurze Zeit vom Handel ausgesetzt waren, ebenfalls um zwei Prozent zu. Hochtief selbst will sich zur Offerte nicht konkret äußern. "Bei uns ist bisher kein Angebot eingegangen", sagte eine Sprecherin. "Wenn eins vorliegen sollte, werden wird das sorgfältig prüfen und dann eine qualifizierte Stellungnahme abgeben."

ACS will die Übernahme mit vielen Zugeständnissen an Hochtief versehen. So soll das Unternehmen an der Börse bleiben und Essen der Firmensitz. Hochtief würde mit seiner australischen Tochter Leighton gut in das Portfolio von ACS passen. Die Spanier selbst sind stark in Lateinamerika und Nordamerika, Hochtief wiederum in Europa und Osteuropa, Leighton in Asien. Der Essener Baukonzern ist eigenen Angaben zufolge mit mehr als 66 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 18,17 Milliarden Euro der siebtgrößte Baudienstleister weltweit.

Analysten und Händler bezeichnen das Übernahmeangebot der Spanier als wenig attraktiv. Die ACS-Offerte bewerte das Essener Unternehmen gerade einmal mit rund 56 Euro je Aktie. "Das ist eine ziemliche Enttäuschung und entspricht noch nicht einmal dem Wert der Hochtief-Tochter Leighton", sagte ein Händler. Der Hochtief-Vorstand werde wohl daher das Angebot als zu niedrig ablehnen müssen, heißt es in Frankfurter Börsenkreisen.

Die Krise der Bauwirtschaft in Spanien überstand ACS relativ gut

ACS ist ein Mischkonzern und neben dem Schwerpunkt Bau auch in den Bereichen Energie und Telekommunikation aktiv. Das breite Sortiment sorgte auch dafür, dass der Konzern mit einem Börsenwert von gut 10,5 Milliarden Euro nicht so stark von der spanischen Baukrise erwischt wurde wie die Konkurrenten. Inzwischen trägt das Energie- und Dienstleistungsgeschäft 44 Prozent zum Umsatz von ACS bei.

Im Sommer stieß der Konzern sein Hafengeschäft und eine Beteiligung am Mautstraßenbetreiber Abertis ab und nahm rund 2,5 Milliarden Euro ein. Hochtief als heute größter deutscher Baukonzern wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Bis 2004 gehörte das Unternehmen zum Essener Energiekonzern RWE.