Banken werden sicherer, aber die Kredite womöglich teurer

Hamburg. Durch die neuen Eigenkapitalvorschriften soll das Finanzsystem sicherer werden, doch sicher ist zunächst nur eines: Die Branche braucht in den kommenden Jahren sehr viel Geld. Nach Schätzungen des Bundesverbands deutscher Banken stehen allein die zehn größten deutschen Geldhäuser vor einem Kapitalmehrbedarf von womöglich insgesamt rund 105 Milliarden Euro.

Über die weiteren Konsequenzen jedoch besteht keine Einigkeit. Das gilt etwa für die Frage, ob sich Kredite an Firmen nun verknappen oder verteuern, was den Aufschwung hemmen könne. Es bestehe die Gefahr, "dass die Kreditvergabemöglichkeiten der deutschen Banken deutlich eingeschränkt werden", sagte Karl-Heinz Boos, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), in dem unter anderem die Landesbanken organisiert sind. "Darunter leiden dann insbesondere die mittelständischen Unternehmen, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben."

Im Notfall müssten Banken ihr Geschäft wegen der neuen Regeln einschränken

Boos sprach von einem "Kompromisspaket mit Risiken und Nebenwirkungen". Weil zudem keine Auswirkungsstudien für die in Fachkreisen Basel III genannten Beschlüsse vorgesehen seien, könne man die Einigung nur als einen "regulatorischen Blindflug" bezeichnen.

Tatsache ist, dass Banken, die die vom Jahr 2013 an geltenden verschärften Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen, sich entweder von den Eigentümern weiteres Kapital beschaffen oder dieses aus Gewinnen abzweigen müssen. Gelingt aber beides nicht, bleibt der Bank nur noch, ihr Geschäft einzuschränken, um die geforderte Eigenkapitalquote einzuhalten.

"Es werden weniger Kredite vergeben werden", erwartet Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Aber: "Ein Problem, das uns in die Krise gestürzt hat, war zu viel Kreditvergabe. Zu viel ist eine große Bedrohung, und dieser Bedrohung wollen wir aus dem Weg gehen." Um sicherzugehen, dass nicht doch der Aufschwung gefährdet wird, könne man im Bedarfsfall mit Kreditsubventionen gegensteuern, um die Vergabe von Darlehen zu stimulieren.

Sicherere Banken kosten auch das Geld von Steuerzahlern

Jochen Sanio, Chef der Bankenregulierungsbehörde BaFin, sieht keine Gefahr für den Mittelstand: "Mit der lang gestreckten Einführungsphase haben wir auch sichergestellt, dass die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Krediten nicht gefährdet werden kann." Auch Martin Weber, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Mannheim, erwartet keine Kreditklemme. "Allenfalls könnten Kredite geringfügig teurer werden", sagte Weber dem Abendblatt. Schließlich stamme das Geld für die Darlehen zu rund 90 Prozent aus den Einlagen von Kunden, und daran ändere sich nichts.

Nach Auffassung von Weber ist die Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen "eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, denn im Schnitt waren die Quoten in der Bankenbranche zu gering". Gerade bei öffentlichen Banken - wie etwa Landesbanken und Sparkassen - könnten in den nächsten Jahren allerdings die Kassen des Staates, der Länder und der Kommunen gefordert sein, um die Kriterien zu erfüllen. Hierzu gibt Weber zu bedenken: "Die Steuerzahler haben sich beschwert, dass Banken zu unsicher sind und die Öffentlichkeit daher Geld zuschießen musste. Jetzt werden die Banken sicherer - und das kostet eben auch Geld."

Experten wie Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim gehen davon aus, dass die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital vor allem für Landesbanken zu einer Herausforderung werden kann.

HSH Nordbank gibt sich angesichts der schärferen Anforderungen gelassen

"Wir müssen die Auswirkungen der Regelungen in Ruhe prüfen", sagte ein Sprecher der HSH Nordbank dem Abendblatt. "Es gibt aber genug Zeit, darauf zu reagieren. Schon aus diesem Grund sehen wir das relativ gelassen."

Die strengeren Eigenkapitalvorschriften haben aus Sicht des Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, aber auch negative Folgen für Sparkassen und Volksbanken. Die Krise sei nicht von den kleinen, sondern von den großen Banken ausgelöst worden, sagte Schlarmann im Deutschlandradio Kultur. Bei Letzteren müsse die Eigenkapitalquote erhöht werden, da in der Tat Stabilisierungsbedarf bestehe. Das dürfe aber nicht zulasten von Sparkassen und Volksbanken geschehen. In einem dezentralen Bankensystem wie in Deutschland dürften nicht alle Banken über einen Kamm geschoren werden.

Derweil reagierten die Börsen in Europa positiv auf die Reform: Im frühen Handel legten unter anderem Aktien der Allied Irish Banks und der französischen Credit Agricole um mehr als sechs Prozent zu.