Nach monatelangen Debatten haben sich die EU-Mitglieder auf eine Reform geeinigt. Nationale Behörden müssen Kompetenzen abgeben.

Brüssel. Monatelang hatte sich die Bundesregierung gegen starke neue EU-Finanzaufsichtsbehörden mit weitgehenden Durchgriffsrechten gewehrt. Am Donnerstagabend einigten sich die Unterhändler aus EU-Parlament und Mitgliedstaaten dann aber auf eine Reform, die erstmals Kompetenzen der nationalen Aufseher der 27 EU-Länder auf die europäische Ebene verlagert.

Kanzlerin Merkel begrüßte die Einigung. Sie sei "ein zentraler Schritt, um die Finanzaufsicht in Europa zu stärken und besser zu verzahnen", sagte ein Regierungssprecher. Die neuen Aufsichtsbehörden sollen am 1. Januar 2011 die Arbeit aufnehmen. Die bisher fehlende Koordination bei der Finanzaufsicht gilt als ein wichtiger Grund für den Ausbruch der internationalen Finanzkrise.

Die neuen EU-Aufseher für Banken (EBA), Versicherungen (EIOPA) und Börsen (ESMA) sollen künftig in Krisenzeiten Vorgaben für Kreditinstitute und Märkte machen können. Dies gilt auch dann, wenn nur ein großes Kreditinstitut in Schwierigkeiten gerät. Wann eine Krise herrscht, stellen laut Kompromiss aber die EU-Finanzminister fest. Sie haben auch ein Vetorecht, falls die Entscheidungen der Aufsichtsbehörden Folgen für die nationalen Haushalte hätten. Die Hürden für ein Veto liegen aber hoch.

Neben Durchgriffsmöglichkeiten in Krisenzeiten erhalten die neuen Behörden aber auch das Recht, bestimmte für Verbraucher und Banken gefährliche Finanzprodukte und Transaktionen verbieten zu können. Außerdem wird sich die neue EU-Aufsicht einschalten, wenn sich nationale Aufseher nicht einigen können, wie sie mit grenzüberschreitend tätigen Banken vorgehen wollen. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber, der maßgeblich an dem Kompromiss zwischen Parlament und Mitgliedsländern mitgearbeitet hatte, sagte, die neuen Regeln würden eine "stabilisierende Wirkung" für die Finanzmärkte haben.

Trotz Schwächung der nationalen Aufsichtsbehörden obliegt diesen weiterhin die tägliche Aufsicht über Banken, Versicherungen und Börsen. Treten Krisen oder Streitfälle auf, müssen sich die nationalen Aufseher - in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) und die Deutsche Bundesbank - aber den europäischen Behörden fügen.

Neben den drei Aufsichtsbehörden wird bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt ein sogenannter Risikorat (ESRB) eingerichtet, der permanent das gesamte europäische Finanzsystem auf Gefahren hin beobachtet, Alarm schlagen und den Aufsehern Empfehlungen geben soll. Der Rat wird in den ersten fünf Jahren seines Bestehens vom EZB-Präsidenten geleitet werden. In drei Jahren soll dann aber noch einmal überprüft werden, ob auch Vertreter aus Nicht-Euro-Ländern, wie Großbritannien, dem Risikorat vorsitzen können. Diese Überprüfung war vor allem der Regierung in London wichtig.

Der EU-Abgeordnete Udo Bullmann (SPD) forderte nach der Einigung weitere Maßnahmen: "Jetzt gilt es, die Regulierungen von Hedgefonds und Private Equity sowie des Derivatehandels voranzubringen."