Google und Amazon, aber auch die Elektronikkonzerne Apple und Sony wollen mit Online-TV Geld verdienen - bald auch in Deutschland.

Hamburg. Aktuelle Kinohits wie "Salt" oder gefragte Fernsehserien wie "Dr. House" zu jeder beliebigen Zeit per Internet auf dem heimischen Flachbild-TV oder auch unterwegs auf dem iPad ansehen können, aber dafür bezahlen - das soll schon bald Normalität sein. Denn die Internetschwergewichte eröffnen jetzt den Kampf um das Fernsehen der Zukunft . Nachdem die Google -Tochter YouTube Berichten zufolge noch in diesem Jahr ein solches Angebot starten will, plant offenbar auch der weltgrößte Onlinehändler Amazon ein eigenes Internet-TV. Amazon verhandele mit mehreren Medienkonzernen, um Fernsehsendungen, Filme und Serien auf Sendung bringen zu können, berichtet das "Wall Street Journal".

Die Branche setzt auf internetgewohnte junge Menschen als Kunden

Doch auch Elektronikriesen drängen in den Markt. So will Apple-Chef Steve Jobs einen neuen Vorstoß ins Geschäft mit Onlinevideos wagen. Der japanische Konkurrent Sony kündigte gestern auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin einen Musik- und Videodienst an. Nutzer von Sonys neuen Fernsehgeräten oder Blu-Ray-Spielern sollen ab Herbst auch in Deutschland auf die kostenpflichtigen Inhalte zugreifen können.

"Internet-TV ist ein Zukunftsmarkt", sagt Klaus Böhm, Medienexperte bei der Unternehmensberatung Deloitte, dem Abendblatt. "Das ist heute nicht nur eine technische Möglichkeit, sondern es ist eine wachsende Nachfrage vorhanden." Solche Dienste werden künftig "eine wichtige Rolle im gesamten Unterhaltungsbereich spielen", erwartet auch Michael Schidlack, Bereichsleiter beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom): "Junge Menschen sind längst daran gewöhnt, Videos im Internet zu sehen. Wir glauben nicht daran, dass diese Generation in zehn Jahren ihr Medienkonsumverhalten wieder ändert."

In den USA zeigen Anbieter solcher Dienste rasante Wachstumsraten: Netflix hat seit Anfang 2009 den Börsenwert auf umgerechnet fünf Milliarden Euro mehr als verfünffacht und sich gerade für knapp eine Milliarde Dollar die Rechte an 3000 weiteren Kinofilmen und TV-Sendungen gesichert. Der erst im Jahr 2007 gegründete Konkurrent Hulu, hinter dem große US-Fernsehsender stehen, soll einen Börsengang planen und inzwischen mehr als zwei Milliarden Dollar wert sein. Knapp zehn Dollar im Monat sind in den USA ein üblicher Preis für ein Filmabo.

In Deutschland gibt es zwar - abgesehen vom Apple-Portal iTunes - Ansätze wie den Video-on-Demand-Dienst Maxdome von ProSiebenSat.1 oder Videoload von der Telekom. Doch den Durchbruch schafften sie bislang nicht. "Deutsche sind sehr viel zurückhaltender als die Menschen in den USA oder in Großbritannien, wenn es um neuartige Angebote geht", meint Böhm dazu. Michael Schidlack hat eine weitere Erklärung für den Vorsprung Amerikas: "In den USA ist die Bevölkerung im Schnitt deutlich jünger als in Deutschland." Hinzu komme: "Öffentlich-rechtliche Programme zum Beispiel mit hochwertigen Dokumentationen sind in den USA praktisch unbekannt, gerade solche Inhalte sind aber in den Onlinediensten durchaus sehr gefragt."

Das ZDF geht mit einem neuen europäischen Standard an den Start

Dennoch ist Böhm sicher, dass Internet-TV sich bald auch in Deutschland durchsetzen wird: "Dabei sprechen wir über einen Zeitraum von wenigen Jahren." Eine der Voraussetzungen für den Erfolg sei, dass man bedeutende Lieferanten von Filmen und Fernsehsendungen einbinden kann. "Auch da sehe ich Licht am Ende des Tunnels, nachdem die Privatsender RTL und ProSiebenSat.1 eine offene Webplattform für ihre TV-Inhalte planen", so Böhm.

Auch öffentlich-rechtliche Sender greifen nach dem Markt. Demnächst geht zuerst das ZDF mit dem sogenannten Hybridfernsehen HbbTV, einem neuen europäischen Standard, an den Start. Damit soll es dann möglich sein, neben den üblichen Fernsehübertragungen auch eine Online-Mediathek zu nutzen, ohne dafür mehr als ein Gerät und eine Fernbedienung zu benötigen.

Das Interesse der Verbraucher an den neuen technischen Möglichkeiten scheint jedenfalls geweckt: Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Bitkom zufolge wollen 47 Prozent der Deutschen gern auch Internet über ihren Fernseher nutzen. Und auch um die technischen Voraussetzungen steht es immer besser: Schon heute sind nach Branchenangaben 36 Prozent aller verkauften TV-Geräte internetfähig.