Alte Gewohnheiten sind hartnäckig. Dazu zählt der Reflex der Börsianer, sich an der Wall Street zu orientieren. Wenn der US-Aktienmarkt einen Schnupfen bekommt, muss man in Frankfurt und in Hongkong eine Lungenentzündung befürchten.

Tatsächlich ist das Verhalten der Investoren keineswegs völlig irrational. Denn die USA machen noch immer rund ein Viertel der gesamten Weltwirtschaft aus, und im Hinblick auf die Finanzmärkte ist der amerikanische Anteil sicher noch deutlich höher. Großbanken und Pensionsfonds von jenseits des Atlantiks - von den aus den USA kontrollierten Hedgefonds gar nicht zu reden - beherrschen eben weite Bereiche des internationalen Handels mit Aktien, Anleihen, Gold und Rohstoffen.

Und doch hat sich die Welt im vergangenen Jahrzehnt gewandelt. Dazu hat nicht zuletzt die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 am amerikanischen Immobilienmarkt ihren Anfang nahm, beigetragen: Schwellenländer wie Indien und China haben sich zwar nicht von der Entwicklung in den USA abkoppeln können, aber sie haben unter der Krise weniger stark gelitten als etwa die Europäer.

Heute sind Brasilien, Indien und China zusammen, gemessen an der Wirtschaftsleistung, schon stärker als die USA. Viele Menschen in den etablierten Industrieländern haben sich die neue Macht solcher Staaten aber noch immer nicht wirklich bewusst gemacht - ebenso wenig wie die Tatsache, dass inzwischen auch die Schwellenländer die Rolle der Lokomotive für die Weltkonjunktur übernehmen können. Umdenken ist angesagt, auch an der Börse.