Die Supermarktkette Rewe übernimmt die Vorreiterrolle in Hamburg. Betriebsräte sind skeptisch. Der Handelsverband setzt auf Nachahmer.

Hamburg. Kurz vor Mitternacht schnell noch eine Tiefkühlpizza, eine Tüte Chips oder das vergessene Shampoo holen: Seit Kurzem testet die Supermarktkette Rewe in ausgewählten Hamburger Filialen das Einkaufen bis 24 Uhr. Nach Informationen des Abendblatts nehmen derzeit fünf Rewe-Märkte in der Hansestadt an der Testphase teil, die bis Ende des Jahres befristet ist und bundesweit rund 60 Märkte umfasst. Zuvor hatte der Konzern die Öffnungszeiten in insgesamt 14 Hamburger Rewe- und Penny-Märkten probeweise schon von 22 auf 23 Uhr ausgeweitet.

Getestet wird das Shopping bis Mitternacht unter anderem im Rewe-Markt an der Hoheluftchaussee. Hier setzt der Handelsriese vor allem auf den hohen Anteil an studentischem Publikum, das die Filiale auch noch zu sehr später Uhrzeit bevölkert. Die Tests laufen auch an der Fuhlsbüttler Straße, der Altonaer Straße, der Nordschleswiger Straße und an der Bargteheider Straße.

Rewe wollte sich zu Details des Mitternachtsshoppings nicht äußern. Der Kölner Handelskonzern zählt allerdings schon seit der weitgehenden Freigabe der Ladenschlusszeiten im Jahr 2006 zu den Vorreitern bei der Öffnung bis in die späten Abendstunden hinein. Im gesamten Bundesgebiet hat derzeit fast die Hälfte aller 3300 Rewe-Märkte nach 20 Uhr geöffnet, bei der Discounttochter Penny sind es 1400 von 2500 Märkten. Mit diesem Angebot wolle sich das Unternehmen im und gegen den Wettbewerb profilieren, sagte die Sprecherin für die Region Nord, Wenke Rose, dem Abendblatt. "Wir greifen zudem den Trend auf, dass unsere Kunden dann einkaufen wollen, wann es der eigene Terminplan zulässt." Dabei sei Rewe durchaus bewusst, dass die Kunden durch die verlängerten Öffnungszeiten nicht grundsätzlich mehr konsumierten. Man sehe einen späten Ladenschluss aber als zusätzliches Serviceangebot für die Verbraucher.

Der Betriebsrat von Rewe ist von den Öffnungszeiten bis Mitternacht nur wenig begeistert, blockiert das Pilotprojekt aber auch nicht. "Früher, als die Geschäfte nur bis 18.30 Uhr öffnen durften, ist auch niemand verhungert", sagt die Betriebsratsvorsitzende für die Region Nord, Jutta Mirtezani, dem Abendblatt. Insbesondere für Beschäftigte mit Familie sei das Arbeiten bis in den späten Abend hinein nur schwer möglich. "Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele junge Beschäftigte und Studenten, die morgens lieber länger schlafen oder an die Uni gehen und dann später zur Arbeit kommen."

In einer Betriebsvereinbarung haben sich die Arbeitnehmervertreter daher zusichern lassen, dass der Einsatz der Mitarbeiter in der Spätschicht nur auf freiwillliger Basis erfolgt. Zudem zahlt Rewe Nachtzuschläge von 50 Prozent. Kassiererinnen, die nach ihrer Mitternachtsschicht keinen Bus oder Zug mehr erwischen, dürfen sich auf Betriebskosten ein Taxi bestellen.

Shopping bis Mitternacht gibt es in Hamburg bislang nur in wenigen Ausnahmefällen. So öffnet etwa die Bergedorfer Filiale des Lidl-Schwesterunternehmens Kaufland werktags bis 24 Uhr und sonnabends bis 23.30 Uhr. Die nahe gelegene Marktkauf-Filiale, die zum größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka gehört, hat aufgrund der Konkurrenzsituation von Donnerstag bis Sonnabend die Öffnungszeiten bis 24 Uhr verlängert. Generell geben sich die meisten der Edeka-Märkte in Hamburg aber eher konservativ und schließen in der Regel um 20 oder 21 Uhr. "Für die meisten der selbstständigen Händler rechnen sich extrem lange Öffnungszeiten einfach nicht", sagt Edeka-Sprecher Gernot Kasel.

Auch Handelsexperten sind eher skeptisch: "Die Ausweitung der Öffnungszeiten verursacht hohe Kosten, häufig findet in den Geschäften aber nur eine Umverteilung der Umsätze statt", meint der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, Kai Hudetz. Studien, die große Zuwächse nach der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten prognostiziert hatten, hätten sich mittlerweile als falsch erwiesen.

Der Hamburger Einzelhandelsverband hält es aber dennoch für möglich, dass das Beispiel von Rewe Schule machen könnte. "Viele Kunden schätzen es, wenn sie am späten Abend in aller Ruhe und ohne lange Wartezeiten einkaufen können", sagt der Sprecher des Verbands, Ulf Kalkmann. "Wenn ein Unternehmen mit der Öffnung bis Mitternacht Erfolg hat, werden die anderen nachziehen." Vor allem die klassischen Supermärkte könnten sich mit den langen Öffnungszeiten von Billigketten absetzen und auch Umsätze, die an Kioske oder Tankstellen verloren gingen, wieder zurückgewinnen."