Kai Hudetz, 42, ist Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln.

Hamburger Abendblatt:

1. Sind Ladenöffnungszeiten bis 24 Uhr, wie jetzt bei Rewe getestet, ein generelles Modell für Deutschland?

Kai Hudetz:

Das glaube ich kurzfristig nicht. Die bisherigen Erfahrungen mit den liberalisierten Ladenöffnungszeiten zeigen, dass die Möglichkeiten von den Händlern je nach Lage, Branche und Betriebsform sehr unterschiedlich genutzt werden. Mittel- und langfristig gewöhnen sich Konsumenten aber zunehmend an längere Öffnungszeiten und nutzen sie vor allem für den Einkauf von Gütern des täglichen Bedarfs.

2. Warum haben sich die ganz späten Öffnungszeiten bislang nicht durchsetzen können?

Eine Verlängerung der Öffnungszeiten verursacht höhere Kosten. Dies kann nur durch höhere Umsätze gerechtfertigt werden. Häufig findet jedoch nur eine Umverteilung statt. Studien, die große Umsatzzuwächse prognostiziert hatten, haben sich als falsch erwiesen.

3. Wer profitiert denn überhaupt von einem Shopping bis in den späten Abend hinein?

Es findet vor allem eine Verlagerung zwischen Betriebsformen und Standorten statt. Große Händler können längere Öffnungszeiten tendenziell eher realisieren als kleine. Für die Shoppingcenter sind die einheitlichen Öffnungszeiten ein großer Wettbewerbsvorteil.

4. Sind späte Öffnungszeiten für die Mitarbeiter der Supermärkte nicht unsozial?

Ich kann jeden verstehen, der um 22 Uhr nicht mehr an der Kasse sitzen möchte. Kundenorientierte Öffnungszeiten sind jedoch insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Ich persönlich frage mich manchmal auch, ob wir angesichts der umfassenden Einkaufsmöglichkeiten wirklich so viele verkaufsoffene Sonntage brauchen. Die zumeist hohen Besucher- und Umsatzzahlen an solchen Tagen sprechen jedoch dafür.

5. Wie wird sich das Einkaufsverhalten in den kommenden zehn Jahren verändern?

Hinsichtlich der Ladenöffnungszeiten sehe ich keine gravierenden Entwicklungen. Auch in den USA, wo wir seit Jahrzehnten eine Liberalisierung haben, haben ja keineswegs alle Geschäfte rund um die Uhr geöffnet. Insgesamt wird Technik eine zunehmende Bedeutung für den Einzelhandel haben. Die verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanäle werden immer mehr miteinander kombiniert. Konsumenten bestellen online, per Handy oder über Terminals in Geschäften, holen sich die Produkte dann in Geschäften ab oder lassen sie sich nach Hause bringen.