Das Bankhaus Delbrück zieht Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht zurück. Ein Anleger erhält 93.000 Euro Schadenersatz.

Hamburg. Ursprünglich wollte heute Mittag das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) eine wichtige Entscheidung für alle Lehman-Geschädigten verkünden. Doch dazu kommt es nicht mehr, denn das Bankhaus Delbrück Bethmann Maffei zog seine eingelegte Berufung gegen ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Hamburg gestern überraschend zurück. Die Richter hatten darin einem Anleger gegenüber der Bank Schadenersatz wegen wertlos gewordener Lehman-Zertifikate zugesprochen. Die Folge des überraschenden Sinneswandels der Bank: Das Urteil des Landgerichts wird nun rechtswirksam, und die Bank muss dem Anleger den entstandenen Schaden von rund 93 000 Euro ersetzen.

Viele Lehman-Klagen werden derzeit mit einem Vergleich abgeschlossen

Der Fall zeigt, dass es sich für Lehman-Anleger durchaus noch lohnen kann, für ihre Interessen zu kämpfen. Zuletzt war die Stimmung vieler Geschädigter auf einen Tiefpunkt gesunken, nachdem das OLG Hamburg in gleich zwei Urteilen gegen Kleinanleger entschieden hatte, die mit Lehman-Papieren jeweils 10 000 Euro verloren hatten. "Viele Anleger haben inzwischen aufgegeben, weil sie den jahrelangen Auseinandersetzungen vor Gericht nicht gewachsen sind", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Nachdem das OLG die beiden anlegerfreundlichen Urteile des Landgerichts Hamburg gegen die Haspa aufgehoben hat, geht aber auch die Erstinstanz offenbar neue Wege. "Das Landgericht macht jetzt sehr viele Vergleichsvorschläge, teils mit Quoten von bis zu 80 Prozent", sagt der Hamburger Anwalt Ulrich Husack, der Hunderte geschädigte Anleger vertritt. "Rund die Hälfte meiner Fälle werden mit einem Vergleich abgeschlossen."

Wenn die Lehman-Papiere wenige Monate vor der Insolvenz der US-Investmentbank erworben wurden, sind die Chancen groß, Schadenersatz von der Bank zu bekommen. So konnte Husack jetzt für einen pensionierten Arzt einen Teilerfolg vor dem Landgericht Hamburg erringen. Delbrück muss knapp 19 000 Euro Schadenersatz zahlen. Weitere große Fälle gegen die Bank hat er noch in Vorbereitung. So hat eine Mandantin 1,6 Millionen Euro mit Lehman-Zertifikaten verloren.

Im Fall der zurückgezogenen Berufung wollte der heute 60 Jahre alte Kläger nach Darstellung seiner Anwältin seine Altersvorsorge aufstocken und erhielt den Rat, bereits vorhandene Zertifikate der Citibank zu verkaufen und dafür Lehman-Papiere zu erwerben. Außerdem hatte die Bank mit einer falschen Bonitätsangabe für die Papiere geworben. Das war drei Wochen bevor die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach und ihre Zertifikate wertlos wurden.

Den aktuellen Rückzug des Bankhauses Delbrück aus der Berufung bezeichnet die Anwältin Susanne Benöhr-Laqueur als "einen großartigen Erfolg, wenngleich mir auch ein Urteil des OLG lieber gewesen wäre. Doch die Bank wollte unter allen Umständen ein Urteil des OLG verhindern". OLG-Urteile haben eine größere Tragweite und können auch die Entscheidung von Landgerichten in weiteren Verfahren beeinflussen.

Wahrscheinlich wäre das Urteil aber zum Nachteil der zum niederländischen ABN-Amro-Konzern gehörende Bank ausgefallen, die in Hamburg eine Filiale am Ballindamm unterhält und sich auf vermögende Kunden spezialisiert hat. Darauf deuteten Ausführungen des Vorsitzenden Richters des 13. Senats, Ralph Panten, in der Verhandlung hin. Dabei gilt gerade Panten unter Rechtsexperten nicht gerade als anlegerfreundlich. Er hatte im Frühjahr 2010 zwei Lehmann-Urteile des Landgerichts Hamburg gegen die Hamburger Sparkasse aufgehoben, die Anlegern wegen verschwiegener Provisionen Schadenersatz zugesprochen hatten.

Das zeigt, wie schlecht die Chancen für Delbrück Bethmann Maffei gestanden haben müssen. Das Institut sieht das anders. "Wir halten das erstinstanzliche Urteil für falsch, wollten aber eine langwierige und kostenintensive Auseinandersetzung im Interesse von Kunden und Mitarbeiter vermeiden", sagt ein Vertreter der Bank dem Abendblatt.

Gegen Kundenberater läuft Ermittlungsverfahren wegen Betrugs

Doch auch in einem weiteren Fall suchte die Bank den Vergleich, um ein OLG-Urteil zu vermeiden. Eine 87 Jahre alte Kundin hatte 20 000 Euro mit Lehman-Zertifikaten verloren. Das Landgericht sprach ihr wegen Falschberatung Schadenersatz zu, doch Delbrück ging in Berufung vor das OLG. Noch vor einem Urteil wurde der Fall abgeschlossen. "Die Parteien haben sich verglichen", sagte ein OLG-Sprecher. Die Bank wollte sich zu dem Fall nicht äußern. Gegen einen Kundenberater von Delbrück läuft unterdessen ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung, bestätigt ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft. Der Berater war bisher ein wichtiger Zeuge in Lehman-Verfahren am Landgericht Hamburg. Auch hierzu will sich die Bank nicht äußern. Eine Strafanzeige gegen einen weiteren Delbrück-Mitarbeiter wurde an die Staatsanwaltschaft Bremen weitergeleitet.