Eine Ökostudie für Industrie bewertet Büchsen als umweltfreundlich. Verbraucherschützer kritisieren das Ergebnis der Studie als Täuschung.

Hamburg. Für das Comeback der Getränkedose ist Coca-Cola kein Aufwand zu hoch: 20 Millionen der kleinen, 0,25 Liter fassenden Blechbüchsen bringt der US-Getränkeriese in diesem Jahr kostenlos unters Volk. Der Discounter Penny hat mehr als zehn Getränke in Dosenform wieder ins Sortiment genommen, und auch die Bierhersteller setzen wieder vermehrt auf die Verpackungsform, der das Dosenpfand 2003 fast den Garaus machte. Um 34 Prozent auf 436 Millionen Stück ist der Büchsenabsatz im ersten Halbjahr dieses Jahres in die Höhe geschnellt, jubelt der europäische Dachverband der Getränkedosenhersteller (BCME).

Begleitet wird die Rückkehr von einer Werbekampagne, die die angeblichen ökologischen Vorteile der Büchse in den Vordergrund rückt. Gern verweisen die Produzenten auf hohe Recyclingquoten und weniger Materialeinsatz. "Mit gutem Gewissen zugreifen: Die Getränkedose schont Klima und Umwelt", heißt es in einer PR-Mitteilung. Und: "Die Dose ist eine umweltfreundliche Verpackung, die ökologisch auf Augenhöhe mit Mehrwegflaschen liegt." Viele Verbraucher würden nämlich Biermarken trinken, die deutschlandweit angeboten würden und somit einen langen Transportweg hinter sich hätten. In diesem Fall verursache die Gertränkedose im Vergleich zu PET-Flaschen und Glas den geringsten Kohlendioxidausstoß - dem Hauptfaktor für globale Erwärmung.

Verbraucherschützer sprechen vom Reinwaschen eines Produkts

Es sind Aussagen wie diese, die Verbraucherschützer auf die Palme bringen. "Die Argumente der Dosenindustrie sind völlig aus dem Kontext gegriffen und dienen nur dazu, der Dose ein grünes Image zu verpassen", sagt Sebastian Windischmann von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Von einem "Lehrstück der Verbrauchertäuschung" spricht der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, der sich seit Langem für den Ausbau des Mehrwegsystems einsetzt.

Die Dosenhersteller stützen sich auf eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg. Im Auftrag der Industrie rechneten die Forscher verschiedene Szenarien für den Vergleich zwischen Dosen, Mehrweg- und Einwegflaschen durch. Die Aussage über die angebliche Überlegenheit der Dose beim CO2-Ausstoß stützt sich unter anderem auf folgendes Szenario: Nimmt man an, dass Mehrwegflaschen im Schnitt rund 400 Kilometer durch ganz Deutschland gekarrt werden müssen, und dass sie zehnmal wiederbefüllt werden, dann schneidet eine Aluminiumdose tatsächlich am besten von allen Verpackungsformen ab. Daneben gibt es noch Szenarien, die davon ausgehen, dass eine Mehrwegflasche nur fünf oder gar nur einmal verwendet wird. Je weiter die sogenannte Umlaufzahl der Mehrwegflasche sinkt, desto besser steht im Vergleich dazu die Dose da.

"Solche Annahmen sind aber völlig realitätsfremd", sagt Umwelthilfe-Geschäftsführer Resch. Tatsächlich würden Mehrwegflaschen mehr als 25-mal wieder gefüllt, bevor sie aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Auch der unterstellte Transportweg von 400 Kilometern sei bei nationalen Biermarken höchstens halb so weit.


Forscher distanzieren sich von ihren Auftraggebern

Nun könnte man den Streit um Dose und Mehrwegflasche als Scharmützel zwischen Lobbyisten abtun, wäre den beauftragten Ifeu-Forschern nicht selbst mulmig geworden bei der allzu forschen Interpretation ihrer Daten durch die Dosenindustrie. So sahen sie sich zu einer 35-seitigen "Handreichung" zu ihrer Studie veranlasst, in der sie sich von allgemeinen Aussagen zugunsten der Dose distanzieren: "Pressemitteilungen mit Schlagzeilen, die eine pauschale ökologische Gleichwertigkeit oder gar Überlegenheit von PET-Einweg oder Getränkedosen gegenüber den Glasmehrwegflaschen suggerieren, stehen mit unseren aktuellen Ökobilanzen nicht im Einklang." Die umweltfreundlichste Verpackung sei derzeit die PET-Mehrwegflasche.