An Hamburgs Hochschule für bildende Künste zeigt Glen Oliver Löw, wie elegant Recycling-Möbel aussehen: zum Beispiel der “Think“-Stuhl.

Hamburg. Ausgerechnet ein Bürostuhl! So ein alltägliches Sitzmöbel zählt niemals als glamouröse Designleistung. Aber Glen Oliver Löw machte im Auftrag der US-Firma Steelcase den Stuhl "Think" zu einem preisgekürten Highlight. Ein feingliedriger Armlehnstuhl, bespannt mit dünnmaschigem atmungsaktivem Stoff, der Körperbewegungen nachgibt und je nach Gewicht des Be-Sitzers unterschiedlich reagiert.

Neben ästhetisch begründeten Auszeichnungen erhielt Löws Bürostuhl als erster weltweit ein "cradle to cradle"-Zertifikat. Es besagt, dass ein Produkt zu einem Großteil sowohl aus recyceltem Material besteht als auch wieder recycelt werden kann. "Umweltverträglichkeit ist keine Einschränkung für gutes Design", sagt Löw. Er kennt sich aus, denn seine Karriere begann, kaum dass er seine Designausbildung mit einem Zusatzstudium an der Mailänder Domus Academy abgeschlossen hatte, im Büro Antonio Citterios. Der italienische Designer und Architekt ist international bekannt als Perfektionist mit elegantem Understatement. Löw war zehn Jahre sein Partner, eröffnete dann ein eigenes Studio und ist seit dem Jahr 2000 Professor für Design an der Hochschule für bildende Künste (HfbK).

Während dieser Zeit entstand auch der Stuhl "Think". Er könnte eine Vorreiterrolle einnehmen unter den Ideen, die künftig an der Hochschule erdacht werden sollen. Denn Friedrich von Borries, berufen als Professor für das übergeordnete Thema Designtheorie, will, dass alle nach dem "cradle to cradle"-Prinzip handeln.

Am Museum für Kunst und Gewerbe kuratierte Borries die Ausstellung "Klimakapseln", ebenfalls eine Initiative der HFBK. Ökologie ist Trumpf. Aber es sind vorrangig freie künstlerische Positionen mit denen sich die Hochschule positioniert. Der Industriedesigner Löw steht für die angewandte Disziplin Design, die im Kunstkanon der Hochschule ihren Platz immer wieder behaupten muss. Aber wenn die Hochschule ihren Anspruch ernst nimmt und Ökodesign aus einer Bastelecke holen will, in der bislang mehr oder weniger Brauchbares aus Wohlstandsmüll entstand, dann kann sie auf kompetente, professionelle Designentwicklung nicht verzichten.

Designer müssen ihre Aufgaben im Team lernen. Bei dem hochkomplexen "Think" etwa waren rund 40 Fachleute wie Mediziner und Ingenieure beteiligt. Das Ergebnis: Ein Stuhl, der sich ohne Spezialwerkzeuge auseinandernehmen lässt - angeblich in fünf Minuten. Die sortenreinen Bestandteile aus Kunststoff, Stahl und Textilien können problemlos geschreddert, eingeschmolzen und recycelt werden. Auch wird jede Schraube überprüft, ob sie nicht aus giftigen Materialien besteht. Seine Verpackung wurde bereits recycelt, und sein Gewicht beträgt die Hälfte des Vorgängermodells. Das vermindert Energieaufwand beim Transport. Was Schwergewichtigkeit betrifft, weiß Glen Oliver Löw allerdings Desillusionierendes zu erzählen: "Weil die meisten Leute Gewicht mit Qualität gleichsetzen, werden etwa Fernbedienungen unnötig mit Blei beschwert." Es muss sich also einiges ändern an unserer Haltung und Einschätzung vermeintlicher Produktqualitäten.

Löws Studenten wappnen sich zurzeit für ihren Designeinsatz für die Umwelt. Zur diesjährigen Jahresausstellung, die noch bis zum 11. Juli zu sehen ist, zeigen sie nicht nur kluge Konzepte für Faltstühle aus Pappe. Sie haben auch ehemalige Sicherheitsgurte derart elegant zu Sesseln geflochten, dass Löw wieder einmal feststellen kann: Recycling und ästhetische Ansprüche sind keine Gegensätze. Doch das Problem ist komplexer. Recycling scheitert zurzeit noch an einer fehlenden Infrastruktur des Sammelns, Verteilens und Zurücknehmens. Allein dafür mangelt es an Ideen - nicht nur an der Ästhetik.

Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste, Fachbereich Design, Raum 51, Lerchenfeld 2, bis 11.7., tägl. 14-18 Uhr