OLG Hamburg fordert mehr Transparenz bei Rückkaufswerten. Revision wahrscheinlich

Hamburg. Im Kampf um gerechtere Rückkaufswerte bei vorzeitig gekündigten Kapitallebensversicherungen haben die Verbraucherschützer erneut einen Sieg errungen. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) erklärte mehrere Vertragsklauseln der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zur vorzeitigen Kündigung von Kapitallebens- und Rentenversicherungen für ungültig (Az.: 9 U 233/09, 235/09, 236/09 und 9 U 20/10).

Damit bestätigte der 9. Zivilsenat in Hamburg Urteile des Landgerichts, gegen das die Versicherer Berufung eingelegt hatten. Die Kunden können damit auf höhere Rückzahlungen hoffen. Betroffen sind Policen, die zwischen 2001 und Ende 2007 bei den Gesellschaften Hamburg-Mannheimer (jetzt Ergo), Signal Iduna, Deutscher Ring und Generali (Volksfürsorge) abgeschlossen wurden. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg, die von dem Hamburger Rechtsanwalt Joachim Bluhm vertreten wurde, der bereits zahlreiche Urteile im Interesse der Verbraucher gegen die Versicherer erstritt. "Wir gehen von 24 Millionen betroffenen Verträgen aus", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Der Kampf um die Rückkaufswerte wird bereits seit vielen Jahren ausgefochten. Es geht um die Berechnung des Betrags, den der Kunde ausgezahlt bekommt, wenn er den Vertrag vor Ende der Laufzeit kündigt. Das waren im letzten Jahr immerhin 3,5 Millionen Verbraucher. Ihnen wurden fast 14 Milliarden Euro ausgezahlt. Das zeigt, es geht für die Versicherer um viel Geld, wenn sie den Kunden nur einige Prozent mehr auszahlen müssen. "Bei Verträgen mit einer Laufzeit von 30 Jahren halten nur 24 Prozent der Versicherten bis zum Schluss durch", sagt Edda Castelló.

Für die Unternehmen sind vorzeitig gekündigte Verträge ein gutes Geschäft, denn sie lassen sich die Kündigungen teuer bezahlen - etwa mit einem sogenannten Stornoabzug. Zurück gibt es deutlich weniger als eingezahlt wurde. Je kürzer der Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und Kündigung, umso größer sind die Einbußen für die Kunden. Der Bundesgerichtshof hatte bereits die zwischen 1995 und 2001 verwendeten Klauseln zu den Rückkaufswerten für ungültig erklärt und die Versicherer gezwungen, höhere Rückkaufswerte anzusetzen, nämlich knapp die Hälfte der eingezahlten Beiträge. Infolge dieses Urteils verwendeten die Versicherer veränderte Klauseln, die aber einer rechtlichen Überprüfung auch nicht genügen, wie sich jetzt vor dem OLG Hamburg zeigte.

Die Richter kritisierten, dass die Klauseln zum Rückkaufswert nicht den Transparenzanforderungen genügen, "weil dem Versicherungsnehmer die Berechnung des korrekten Rückkaufswertes vorenthalten werde", heißt es in der Urteilsbegründung. Denn der Rückkaufswert enthält bereits einen Stornoabzug. Damit kann der Kunde nicht den reinen Rückkaufswert erkennen. "Der Stornoabzug ist ein großes Geheimnis der Gesellschaften, über den nicht aufgeklärt wird", sagt Castelló.

Außerdem werde es in den AVB nicht deutlich genug, dass die Versicherungen bei einer Kündigung nur dann zu einem Stornoabzug berechtigt sind, "wenn dieser mit dem Versicherungsnehmer vereinbart wird und der Höhe nach angemessen ist", kritisieren die Richter. Deutlicher hätten die Kunden auch darüber informiert werden müssen, dass die in den ersten Jahren gezahlten Versicherungsprämien fast vollständig durch die Verrechnung der Abschlusskosten aufgezehrt werden.

Die Versicherer wollen das Urteil prüfen. "Danach werden wir über das weitere Vorgehen entscheiden", sagte Signal-Iduna-Sprecher Edzard Bennmann. Ähnlich äußerten sich auch die anderen Gesellschaften. "Wir behalten uns vor, Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen", sagte eine Sprecherin des Deutschen Rings.

Damit stehen die Versicherten unter Zeitdruck. Denn der Bundesgerichtshof hatte kürzlich entschieden: Wer seine Lebensversicherung vor 2005 gekündigt hat, kann trotz einer inzwischen kundenfreundlicheren Rechtsprechung keinen Nachschlag mehr auf seinen Rückkaufswert verlangen. Da sich inzwischen die Verjährungsfrist von fünf auf drei Jahre verkürzt, "sollten jetzt alle, die in den Jahren 2005, 2006 und 2007 ihre Police gekündigt haben und von dem Urteil betroffen sind, verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen", rät Castelló. Sonst besteht die Gefahr, dass der BGH das Urteil bestätigt, die Verbraucher aber dennoch leer ausgehen. Denn in diesem Jahr wird kein Urteil mehr zu erwarten sein. Verjährungshemmende Maßnahmen können eine Beschwerde beim Ombudsmann oder eine Klage vor Gericht sein. Ein Schreiben an die Versicherung genügt dazu nicht. Dennoch sollte das der erste Schritt sein, um zu sehen, wie die Versicherung reagiert. Musterbriefe dazu finden sich auf der Internetseite der Verbraucherzentrale Hamburg: www.vzhh.de