Foodwatch kritisiert die Ergänzungen als plumpe Verkaufstricks. Hersteller wehren sich

Hamburg. Ist Naschen gesund? Mit Slogans wie "wertvolle Vitamine" oder "plus Fruchtsaft und Traubenzucker" weisen Hersteller gern auf vermeintlich gute Zutaten oder einen angeblichen Zusatznutzen ihrer Produkte hin. Doch aus Sicht der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sind Vitaminzusätze in Süßwaren nicht mehr als ein plumper Verkaufstrick. "Den Eltern wird auf diese Weise der falsche Eindruck vermittelt, sie könnten ihren Kindern etwas Süßes geben und gleichzeitig etwas Gutes tun", sagt die Leiterin der Kampagne Abgespeist.de von Foodwatch, Anne Markwardt, dem Abendblatt. Tatsächlich aber seien Kinder in Deutschland "in den allermeisten Fällen" ausreichend mit Vitaminen versorgt.

Eine ausgewogene Ernährung reicht für die Vitaminversorgung

Das sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ähnlich. "Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht haben Vitaminzusätze in Süßigkeiten nichts verloren. Das sind reine Marketinginstrumente", sagt die Sprecherin des Vereins, Antje Gahl. Allenfalls bei Folsäure und Vitamin D würden nach aktuellen Untersuchungen nicht immer die optimalen Versorgungswerte bei Heranwachsenden erreicht. Dies könnten Eltern aber mit einer ausgewogenen Ernährung ausgleichen, die durch einen Mix aus Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Ballaststoffen bestehe.

Besonders nimmt Foodwatch derzeit den Süßigkeitenhersteller Storck aufs Korn, der für seine Nimm-2-Bonbons mit einem besonders hohen Vitamingehalt und Fruchtsaft wirbt. Enthalten sind unter anderem die Vitamine C, E, mehrere B-Vitamine sowie Folsäure. "Gerade die Versorgung mit Vitamin C ist in der deutschen Bevölkerung aber überdurchschnittlich gut", sagt Kampagnenleiterin Markwardt. Der künstliche Vitamincocktail sei nicht nur sinnlos, sondern sogar höchst problematisch. "Kinder bekommen vermittelt, dass Süßigkeiten so wertvoll und reich an wichtigen Nährstoffen sein können wie Obst und Gemüse." In einer 300-Gramm-Packung Nimm 2 steckten aber allein 215 Gramm Zucker. Das Fruchtsaftkonzentrat mache gerade mal 1,3 Prozent des Produkts aus.

Probleme haben die Verbraucherschützer auch mit dem besonders zuckerhaltigen Fruchtsaftgetränk Capri-Sonne sowie mit Froot Loops von Kellogg's. Die bunten Frühstückflocken mit "Vitaminen, Calcium und Eisen" wollten ebenfalls einen gesunden Eindruck machen, so Markwardt. Sie bestünden aber neben überflüssigen Vitaminen vor allem aus hochgradig verarbeitetem Getreide, und einem hohen Zuckergehalt.

Um vom negativen Zuckerimage ihrer Produkte abzulenken, verfallen viele Hersteller auch darauf, besonders auf einen hohen Trauberzuckergehalt ihrer Lebensmittel hinzuweisen. So druckt beispielsweise der Nahrungsmittelriese Nestlé den Hinweis "plus Vitamin und Traubenzucker" auf seinen Nesquik-Kakao. "Traubenzucker hat gegenüber normalem Zucker aber überhaupt keine Vorteile", sagt Expertin Marquardt.

Kunden wünschen sich angeblich zugesetzte Vitamine

Die Hersteller wiesen die Kritik von Foodwatch gestern entschieden zurück. Ein Sprecher des Nimm-2-Produzenten Storck sagte, die Kunden schätzten "das traditionsreiche Produkt seit vielen Jahren gerade wegen des Vitaminzusatzes". Die Firma weise auf die Vitamine und auch den Fruchtsaftgehalt "zutreffend und transparent" hin. Von einer irreführenden Werbung könne keine Rede sein. Die Kritik sei "nicht vereinbar mit dem Leitbild eines mündigen und ebenso verständigen Verbrauchers".

Auch Nestlé verwies darauf, dass der Zusatz von Vitaminen und Traubenzucker von den Kunden gewünscht werde. "Wir werben damit nicht offensiv und weisen nur in sehr zurückhaltender Form auf der Verpackung auf die Zusätze hin", so eine Sprecherin. Stattdessen stelle man die "Schokoladigkeit" des Nesquik-Kakaos heraus.

Kellogg's erklärte, man halte generell eine Einteilung in vermeintlich gute und schlechte Lebensmittel aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht für sinnvoll. Insbesondere eine Anreicherung der Frühstücksflocken Froot Loops mit Eisen sei aber sehr wohl vernünftig, da in Europa noch immer 40 Prozent der Frauen unter Eisenmangel litten.