Einfluss der VW-Mutter dürfte nach dem Chefwechsel in Zuffenhausen größer werden. Experten halten dies für gefährlich

Hamburg. Gestern gab es die offizielle Bestätigung: Matthias Müller wird wie erwartet neuer Porsche-Chef - damit rückt Zuffenhausen ein gutes Stück näher an Wolfsburg heran. Wenn auch nicht geografisch, sondern in den persönlichen Beziehungen zwischen beiden Zentralen, denn der zukünftige Sportwagenlenker ist oberster Stratege von VW und zählt zu den engsten Vertrauten seines Konzernchefs Martin Winterkorn.

Wolfgang Porsche würdigte Müllers Wechsel an der Spitze

Müller ersetzt ab Oktober den bisherigen Porsche-Chef Michael Macht, der VW-Vorstand wird. "Müller ist eher die Persönlichkeit, die Kraft ausstrahlt, das passt zur Marke", wertet Autoexperte Stefan Bratzel die Personalentscheidung. Auch Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender des schwäbischen Autobauers, würdigte gestern den Wechsel an der Spitze: Mit seinem Wissen sei der 57 Jahre alte Manager "Garant dafür, dass die Weltmarke Porsche ihre Spitzenposition nicht nur behaupten, sondern sogar noch weiter ausbauen" könne.

Vor einigen Monaten noch sah sich das damalige Porsche-Führungsduo Wendelin Wiedeking und Holger Härter kurz vor der Übernahme von VW. Und hatte gleichzeitig die Klaviatur des Finanzmarktes so exzellent beherrscht, dass der Gewinn von Porsche zeitweise höher war als der Umsatz. Nun aber werden die Stuttgarter "nicht mehr mit ganz so durchgedrücktem Rücken daherkommen", schätzt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Schließlich entpuppte sich der einstige Börsencoup der Schwaben als Fehlspekulation. VW musste Porsche vor der Pleite retten und hält nun 49,9 Prozent an den Stuttgartern.

Porsche wird durch die engere Anbindung an Wolfsburg aber nicht nur an Unabhängigkeit verlieren. Sondern auch beim Premiumanspruch. Denn schon zeichnet sich ab, dass VW mit Porsche in erster Linie Geld verdienen will. Edelmarken nur fürs Image haben die Wolfsburger mit ihren Töchtern wie Bentley oder Bugatti schon genug. Im Gespräch für Porsche sind ein Panamera, ein Cayenne und ein Boxster im Kleinformat. Alle auf VW-Plattformen basierend. "Porsche wächst in den Massenmarkt hinein", schätzt Dudenhöffer. Mit günstigeren Modellen werde der Konzern auf größere Stückzahlen kommen. "In fünf Jahren könnten 300 000 Porsche verkauft werden, bisher sind es 100 000", sagte der Branchenkenner dem Abendblatt. Der Aufstieg Müllers bei Porsche passt genau in dieses Szenario: Der gebürtige Chemnitzer hat bei den Wolfsburgern bereits für Synergien bei den verschiedenen Modellen gesorgt. In diversen Positionen bewies er große Durchsetzungskraft, anders als sein Vorgänger Macht, dem nachgesagt wurde, er ließe dem Unternehmen zu viel Leine.

Michael Macht kann VW helfen, Millionen einzusparen

Die Berufung von Michael Macht zum VW-Produktionsvorstand ist ebenfalls ein Schritt zu mehr Effizienz bei den bislang als behäbig geltenden Wolfsburgern. Gemeinsam mit Wiedeking hat Macht schon vor Jahrzehnten bei Porsche die "schlanke Produktion" japanischer Autofirmen unter die Lupe genommen. Sie führten diese kostengünstige Herstellung nicht nur im Stammwerk Zuffenhausen ein, sondern auch bei den Zulieferern. Gerade die Werke gelten bei VW noch als Schwachpunkte. Zu viele Aufgaben würden selber übernommen, das Auslastungsrisiko sei in schlechteren Zeiten damit nicht gerade gering, kritisieren Beobachter. Der neue Mann im Vorstand kann dem Hersteller helfen, Millionen einzusparen, er wird jedoch mit dem starken Betriebsrat rechnen müssen.

Es drohen nicht zu unterschätzende Gefahren aus Finanzkapriolen

VW ist zwar besser durch die Krise gekommen als etliche Konkurrenten, wird aber nicht nur bei der Integration von Porsche im operativen Geschäft noch Hürden zu nehmen haben. Es drohen auch nicht zu unterschätzende Gefahren aus den Finanzkapriolen der Stuttgarter. "Wir sehen das Risiko anhängiger Klagen in den USA im Zusammenhang mit der gescheiterten Übernahme von Volkswagen", sagte Auto-Analyst Frank Schwope von der Nord LB. Die geplante Verschmelzung beider Unternehmen 2011 könnte darunter leiden. Das Dilemma: Mehrere Hedgefonds fühlen sich durch die Spekulationen von Porsche um viel Geld betrogen. Die US-Anleger haben noch bis Ende Oktober Zeit, Klagen einzureichen. Insider vermuten, dass die Geschädigten insgesamt gut sieben Milliarden Dollar Verluste reklamieren werden.