Allein bei der Arbeitsagentur Hamburg sind 280 Arbeitsplätze unbesetzt. Gewerkschaft kritisiert Niedriglohn und lange Arbeitszeit.

Hamburg. Wache halten allein genügt schon lange nicht mehr. Am Eurogate-Terminal steigen Thomas Prestin, 46, und Dirk Schnegelsberg, 48, in ihren weißen VW Bus und fahren zum Liegeplatz eines Containerfrachters aus Asien. Dort übergeben die beiden Sicherheitsleute Formblätter mit Telefonnummern nebst Hinweisen zum Verhalten auf der Hafenanlage und fragen die Besatzung nach ihren Wünschen. "Wir übernehmen Shuttle-Fahrten zum Ausgang oder für Besucher der Crew, nehmen Bestellungen für Nahrungsmittel und Ersatzteile auf und regeln mit dem Kapitän, wer die notwendigen Wachen wo aufstellt", sagt Prestin, der Objektleiter der Stader Sicherheitsfirma Wako Nord ist. Zum Schutz von Schiff und Terminal arbeiten die beiden Männer eng mit dem Sicherheitsbeauftragten von Eurogate zusammen. "Wir sind mit knapp zehn Mann 24 Stunden am Tag vor Ort", sagt Prestin. Neben dem Bus kontrolliert eine Pkw-Streife Zäune und Einfahrten auf dem Gelände.

Für Einsätze wie den von Prestin und Schnegelsberg im Hafen, aber auch für den Schutz des Flughafens, von Bahn- oder Industrieanlagen wird bei den knapp 100 Hamburger Sicherheitsfirmen händeringend Personal gesucht. Allein bei der Arbeitsagentur sind 280 freie Stellen gemeldet. Der tatsächliche Bedarf dürfte jedoch noch höher liegen, weil nicht jeder Job bei der Agentur angezeigt wird. Bundesweit rechnet der Verband der Sicherheitswirtschaft bei insgesamt 175 000 Beschäftigten mit einem Bedarf von 11 500 Mitarbeitern.

+++ Mehr Geld für wichtige Arbeit +++

"Das Interesse an Wachleuten hat auch in Hamburg deutlich zugenommen", bestätigt Agenturchef Sönke Fock. Die Jobs in der Branche gelten als sicher. "Wer sich in unserem Beruf qualifiziert, braucht Arbeitslosigkeit kaum mehr zu fürchten", sagt Prestins Chef Jürgen Keller, der Betriebsleiter von Wako Nord. Das Unternehmen beschäftigt mit einer Schwesterfirma in der Metropolregion 300 Mitarbeiter. Auch Keller sucht zehn neue Beschäftigte.

Als Hintergrund für die starke Nachfrage nach Personal hat Frank Schimmel drei Gründe ausgemacht. "Da ist zum einen das hohe Durchschnittsalter der Beschäftigten, von denen viele nach und nach ersetzt werden müssen", sagt der Geschäftsführer der Fachschule Protektor, die Sicherheitspersonal ausbildet. Zudem gingen derzeit viele ehemalige DDR-Soldaten in den Ruhestand, die nach der Wende in die Branche gewechselt waren. Letztlich hätten auch die Aufgaben der Privatfirmen zugenommen. "So war die Gepäck-, Waren- und Passagierkontrolle an den Flughäfen, die jetzt in privater Hand liegt, vor Jahren noch eine Aufgabe des Bundesgrenzschutzes", sagt Schimmel. Auch bei der Bahn-Tochter DB Sicherheit und für die Hamburger-Hochbahn-Wache ist Personal von Privatfirmen unterwegs, und selbst die ersten Gefängnisse werden inzwischen von Sicherheitsunternehmen bewacht.

Um solchen neuen Herausforderungen zu begegnen, hat die Branche mit der Fachkraft und der Servicekraft für Schutz und Sicherheit 2002 und 2008 zwei Lehrberufe etabliert. Dazu kommt, dass sich Mitarbeiter mit und ohne Abschluss nach einigen Jahren Berufserfahrung vor einer Handelskammer prüfen lassen können. Haben sie Erfolg, gelten sie als geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft. "So haben gerade Frauen und ältere Bewerber als Quereinsteiger gute Chancen, beruflich Fuß zu fassen", sagt Hamburgs Arbeitsagenturchef Sönke Fock. Gestern stellte er die Räume seiner Zentrale neun Hamburger Firmen zur Verfügung, die dort um Nachwuchs warben. 680 Interessenten nutzten den Termin, auch um Vorstellungsgespräche zu vereinbaren.

+++ Senat sagt dem Fachkräftemangel den Kampf an +++

Klar ist: Nach den Anfang des Jahres abgeschlossenen Tarifverhandlungen könnten sie nun mit einem Mindestlohn von 7,31 Euro pro Stunde rechnen. Im kommenden Jahr steigt er auf 7,50 Euro. Ausgebildete Fachkräfte erhalten 9,25 Euro. Außerdem soll die monatlich zulässige Arbeitszeit von derzeit maximal 248 Stunden bis Anfang 2016 auf 228 Stunden sinken: ein weiterhin hoher Wert. Zum Vergleich: Im Schnitt beträgt die monatliche Arbeitszeit für einen Arbeitnehmer 174 Stunden.

"Die langen Arbeitszeiten haben wir hingenommen, weil die Beschäftigten auf jeden Cent angewiesen sind", sagt der in Hamburg für die Branche zuständige Ver.di-Sekretär Peter Bremme. Bei den Löhnen habe sich nun zwar einiges gebessert. Zufrieden ist Bremme aber nicht. Die Gewerkschaft wollte einen Mindestlohn von 8,50 Euro durchsetzen. Die Folgen des Abschlusses sind für Bremme klar: "Es wird auch bei Stundenlöhnen von 9,25 Euro schwierig, genügend Bewerber zu finden. Läuft die Konjunktur gut, gibt es deutlich besser bezahlte Stellen."

Zudem müssten auch gut ausgebildete Sicherheitskräfte weiterhin damit rechnen, zunächst befristet eingestellt zu werden. "Auch wenn die Höchstdauer der Befristung von 42 auf 30 Monate sinkt, bedeutet das immer noch erhebliche Unsicherheit", so Bremme. Würde sofort fest eingestellt und wie in Niedersachsen ein Stundensatz von 11,60 Euro für Fachleute akzeptiert, könnten neue Arbeitsplätze rascher besetzt werden. Diese Chance sei nun "vertan".

Wako-Nord-Betriebsleiter Keller setzt darauf, dass sich Mitarbeiter künftig stärker mit ihrem Job identifizieren können. Dies gelte vor allem für Beschäftigte, die sich auch als Sanitäter oder im Atemschutz für Feuerwehreinsätze weiterbilden ließen. Und für zusätzliche Fähigkeiten zahle Wako auch höhere Löhne. "Bei uns geht der Trend dahin, neben dem Werkschutz Anlieferungen für die Firmen entgegenzunehmen, Speditionspapiere auszufüllen, Ladung von Lkw zu wiegen oder den Winterdienst zu übernehmen", sagt der Wako-Betriebsleiter. Wer solche Aufgaben meistere, fühle sich nicht mehr nur als Wächter: "Solche Leute erzählen stolz von ihrem Job und kommen mit erhobenem Kopf zum Dienst."