Die Gattin des VW-Patriarchen zieht in den Aufsichtsrat ein. Kritik auf der Hauptversammlung in Hamburg an der Umweltpolitik des Autoherstellers

Hamburg. Am Himmel über Planten un Blomen kreiste gestern Morgen ein rotes Flugzeug mit dem Spruchband: "VW. Beim Umweltschutz die Nummer eins!" Ein paar Hundert Meter weiter unten protestierten grün gewandete Greenpeace-Mitglieder mit Plakaten gegen den Autobauer. Sie kritisierten, dass kein anderer Hersteller in Europa durch seine Fahrzeuge so große CO2-Emissionen verursache wie der Wolfsburger Konzern.

Volkswagen hatte seine Aktionäre wie schon in den Jahren zuvor ins Hamburger CCH eingeladen, und die Diskussion um den Klimaschutz sollte der Hauptversammlung später an diesem Tag noch einige unerwartete Turbulenzen bescheren. Zunächst einmal aber war es eine Dame, die sich der vollen Aufmerksamkeit der Anteilseigner und Dutzender Journalisten sicher sein konnte: Ferdinand Piëch hatte seine Frau Ursula dieses Mal nicht nur mit nach Hamburg gebracht, um wie stets bei ihr untergehakt eine Runde zwischen den ausgestellten Bugattis, Lamborghinis oder Beetles zu drehen und mit den Pressevertretern zu scherzen.

In diesem Jahr, so hatte es der Aufsichtsratschef verfügt, sollten die Aktionäre seine "Uschi" ebenfalls in das Kontrollgremium wählen, sodass auch die Gattin künftig den Vorstand des größten Autobauers in Europa wird kontrollieren und beraten können. Die 20 Jahre jüngere Ehefrau soll in dem Gremium dafür sorgen, das Familienerbe langfristig zu sichern und die Kontinuität im Konzern zu bewahren. Ferdinand Piëch, der gerade 75 Jahre alt geworden ist, bestellt sein Feld.

Im großen Saal stellte sich die gelernte Erzieherin, die einst als Kindermädchen in die Familie gekommen war, den Aktionären. "Ursula Marianne Piëch, geboren 1956, österreichische Staatsbürgerin", beginnt sie ihre Rede. "Seit 30 Jahren darf ich dieses Unternehmen begleiten", sagt die Frau mit dem hellblonden Haar lächelnd und erinnert an ihre Hochzeit mit Piech 1984, damals war er Audi-Chef. Sie wisse, welche Verantwortung Unternehmen in der Gesellschaft tragen, schon in ihrer Zeit als Leiterin eines Kindergartens habe sie erfahren, welche Sorgen Worte wie Arbeitslosigkeit bei den Eltern auslösen könnten. Piëch sagte nach der Vorstellungsrede seiner Frau brav: "Danke, Ursula." Lachen im Saal.

Die kurze, aber souveräne Antrittsrede scheint die Aktionäre aber überzeugt zu haben: Viele Investoren hatten vorher öffentlich Kritik geübt, aber auf der Hauptversammlung äußert kaum ein Anlegervertreter Zweifel an ihrer Befähigung. "Wir werden Sie wählen und Ihre Arbeit wohlwollend beurteilen", sagt Hansgeorg Martius von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und zieht Vergleiche: etwa Liz Mohn bei Bertelsmann und Friede Springer bei Springer, und dies seien ebenfalls erfolgreiche Unternehmen.

Am frühen Abend zog dann Ursula Piëch wie erwartet in den Aufsichtsrat ein. "Sie wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt", sagte ein Konzernsprecher. Die Zustimmungsquote betrug knapp 98,5 Prozent. Die 55-Jährige nimmt den Platz von Michael Frenzel ein. Der Chef des TUI-Konzerns, der auch an der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd beteiligt ist, war nicht erneut angetreten. Problemlos verlief die Wahl von Ferdinand Piëch: Der Aufsichtsratschef wurde mit großer Mehrheit für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt.

Weitaus kontroverser fiel dagegen die Reaktion auf das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn aus, der 2011 gut 17 Millionen Euro kassiert hat. Eine solche Summe sei der deutschen Gesellschaft nicht zuzumuten, ohne dass eine Gefahr für den sozialen Frieden entstehe, kritisierte Ulrich Hocker von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Andere Aktionäre vergleichen das Gehalt Winterkorns mit dem Verdienst von Fußballprofis und äußern Verständnis für den Manager. Zumal dieser weitere Erfolge für Volkswagen verspricht.

"Wir haben uns vorgenommen, das Tempo jetzt noch einmal zu verschärfen", sagt Winterkorn. Mit 40 neuen Modellen, zwei neuen Werken und einer zusätzlichen Marke (Ducati) steuere der Konzern 2012 auf ein weiteres Rekordjahr zu. Der Ingenieur betont, das Unternehmen werde 2012 den Umsatz erneut steigern. Beim Gewinn wolle Volkswagen das hohe operative Vorjahresergebnis wiederholen. Die Wolfsburger hatten bis Ende März den Absatz schon um fast zehn Prozent auf 2,16 Millionen Stück verbessert.

Die Lobeshymne auf den eigenen Arbeitgeber wird jäh unterbrochen, als Greenpeace-Mitglieder ein Spruchband mit dem Schriftzug "Volkswagen - das Problem" als Anspielung auf den Werbeslogan "Volkswagen - das Auto" im Saal hochhalten, um erneut gegen den ihrer Meinung nach mangelnden Klimaschutz in der VW-Flotte zu protestieren. Winterkorn unterbricht seine Rede, Sicherheitskräfte beenden die Aktion. "Ich danke den Ordnern für das Räumen der Unruhestifter", sagt Piëch.

Während im Saal die Tagesordnung abgearbeitet wird, verteilten die Umweltaktivisten ihre Flugblätter draußen vor der Tür. Sie wenden sich darin bereits an Piëchs Gattin: "Frau Piëch, Ihre Chance: ehrliche Klimaziele bei Volkswagen durchsetzen."