Freie Tankstellen fordern ein Eingreifen des Kartellamts und streben eine höhere Pendlerpauschale an. Fairer Wettbewerb wird gefordert.

Hamburg. Den freien Tankstellen reichen die Untersuchungen des Bundeskartellamts zum Benzinpreis noch nicht aus. "Wir wollen, dass auch Raffinerien, die uns nicht beliefern, sich an einen fairen Wettbewerb halten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Tankstellen (bft), Axel Graf Bülow, gestern in Hamburg. "Wir erwarten von der Politik einen schärferen Gesetzestext."

Anfang April hatte das Kartellamt ein Verfahren gegen die fünf großen Mineralölunternehmen BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total eingeleitet. In mehreren Fällen sollen Raffinerien der Konzerne freien Tankstellen Benzin und Diesel zu Preisen verkauft haben, die höher waren als die, zu denen die marktbeherrschenden Unternehmen den Kraftstoff an eigenen Tankstellen an die Endkunden verkauften. Maßstab für den fairen Wettbewerb müsse der Preis für die Raffinerieprodukte am europaweit maßgeblichen Rotterdamer Markt sein, so Bülow.

Allerdings nahm er die Ölmultis gegen den pauschalen Vorwurf der Abzockerei angesichts der aktuell rekordhohen Benzinpreise in Schutz: "Die gesamte Branche wird zu Unrecht angeschuldigt." Neben dem gestiegenen Rohölpreis sei die zuletzt starke Nachfrage verantwortlich für die Verteuerung von Benzin und Diesel. Denn in den USA, wohin auch Kraftstoff aus europäischen Raffinerien geliefert werde, beginne die Saison mit höherem Verkehrsaufkommen.

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"Der Einzige, der am Preis wirklich etwas ändern kann, ist der Bundesfinanzminister", sagte Bülow mit Blick auf die Steuern, die bei einem aktuellen Verkaufspreis für Superbenzin von 170,9 Cent allein 93 Cent ausmachen. Eine höhere Pendlerpauschale sei der richtige Weg.

Die jüngsten Vorstöße aus verschiedenen Parteien, die darauf abzielen, wie in Österreich oder in Westaustralien Preiserhöhungen nur noch einmal am Tag zuzulassen, hält der Experte für reine Symbolpolitik: "Jeder Preiseingriff ist Unsinn. Damit wird es am Ende für die Kunden nur noch teurer."

Genauso sieht es Elmar Kühn, Hauptgeschäftsführer des Uniti Bundesverbands mittelständischer Mineralölunternehmen: "Der Kunde ist schlauer als der Politiker. Zu den Tageszeiten, an denen der Preis niedrig ist, steigt die verkaufte Kraftstoffmenge erheblich an." Dies und die teils erheblichen Preisunterschiede innerhalb einer Stadt seien Belege für den im Markt herrschenden Wettbewerb, "den uns keiner glaubt", ergänzte Bülow.

Unbegründet sei auch die Vermutung, die Gewinnspannen der freien Tankstellen müssten sich dank des derzeit besonders hohen Preisniveaus ebenfalls ausgeweitet haben. Denn viele Autofahrer seien dazu übergegangen, jeweils nur noch für 20 Euro oder weniger zu tanken - in der Hoffnung, dass der Preis schon bald wieder sinkt, erklärte Kühn. Doch bezahlt werde mit der EC- oder Kreditkarte, sodass die Gebühren, die für den Tankstellenbetreiber pro Bezahlvorgang anfallen, stärker ins Gewicht fallen als bei hohen Rechnungsbeträgen. "Die Marge ist für uns noch geringer geworden", so Kühn.

Ohnehin lag die sogenannte Bruttogewinnmarge im deutschen Tankstellenmarkt mit 7,30 Cent je Liter Superbenzin an zweitletzter Stelle in Europa. Dieser Wert gibt jedoch nur den Verkaufspreis abzüglich des Einkaufspreises für das Benzin sowie der Mineralölsteuern an, die Betriebskosten der Tankstelle sind dabei noch nicht berücksichtigt. Die Zahl stammt allerdings aus dem Jahr 2011, als der Benzinpreis noch wesentlich niedriger war. Nach Berechnungen des Hamburger Forschungs- und Beratungsbüros EnergyComment kletterte die Bruttomarge bis Anfang März auf mehr als 16 Cent. Dennoch beträgt die Nettomarge im Kraftstoffverkauf nach Branchenangaben im Schnitt auch jetzt nur rund einen Cent pro Liter.

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Allerdings ist der Absatz von Benzin und Diesel vielfach gar nicht mehr das Hauptgeschäft der Betreiber; hinzu kommen Erträge aus Waschanlagen und den Tankstellenshops. "Gerade die freien Tankstellen haben sich zu spezialisierten Einzelhändlern mit Treibstoffzusatzgeschäft gewandelt", heißt es in einer Marktanalyse der Rating-Agentur Scope im Auftrag der beiden Verbände. So ist der Anteil der Shops am Gesamtumsatz im Schnitt auf zuletzt 86 Prozent geklettert. Insbesondere Backshops liefen vergleichsweise gut, so Bülow.

Doch auch einschließlich dieser zusätzlichen Aktivitäten sei die durchschnittliche Umsatzrendite über die vergangenen Jahre auf aktuell nur noch rund drei Prozent gesunken, sagte Scope-Geschäftsführer Thomas Morgenstern. "Auch Tankstellen leiden unter hohen Energiekosten", fügte Kühn an. Allein für den Strom müssten jährlich 25 000 Euro aufgewendet werden.

Während die Gesamtzahl der Tankstellen in Deutschland von gut 16 300 Stationen im Jahr 2000 auf weniger als 15 000 Stationen abgenommen hat, konnten die freien Tankstellenverbände wie bft und Uniti, denen ein Großteil der der mittelständischen Betreiber angehört, ihren Marktanteil erhöhen.