Fünf Millionen Euro hat die Hamburger Carl Kühne KG in ihr Werk in Mecklenburg gesteckt. Nun kommen auch Salatdressings aus Hagenow.

Hagenow. In der Produktionshalle des Kühne-Werks im mecklenburgischen Hagenow ist alles etwas größer als erwartet. In bauchigen blauen Schlauchbeuteln fährt frisch produzierte Mayonnaise über das Förderband, eiserne Greifarme heben die Packungen auf und legen sie in geräumige Pappkartons. Ein Mitarbeiter packt die Kartons auf Paletten. Draußen vor der Halle warten bereits Lastwagen, die die Ladung zu den Kunden bringen.

In einem Privathaushalt würde die Menge Mayonnaise wahrscheinlich für ein Jahr Pommes rot-weiß reichen. Bei den Abnehmern des Kühne-Werks eine Stunde östlich von Hamburg allerdings geht es um Großverbraucher - sie bestellen immer gleich mehrere Tonnen, als Würze für Pommes, Hamburger oder Sandwiches. Die Reise der Mayonnaise aus der Lebensmittelfabrik führt von Hagenow aus in alle Welt. Zur Imbisskette in Kasachstan, zu Burger King in Südafrika oder Subway in England.

"Wir produzieren immer mehr, weil wir unsere Kunden bei ihrer Expansion ins Ausland begleiten", freut sich Andreas F. Schubert, seit 2005 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Carl Kühne KG, die ihre Zentrale in Hamburg-Bahrenfeld hat. Weil neuerdings Millionen Chinesen auf Fastfood mit Fertigsaucen stehen, und auch in Schwellenländern wie Russland immer mehr Menschen außer Haus essen, wächst Kühne als Lieferant für Gastronomieketten, die über die Grenzen Europas hinaus expandieren.

Im Werk in Hagenow, das 1998 als modernste Essigfabrik Europas an den Start ging, hat Kühne diese Expansionsstrategie zuletzt am deutlichsten vollzogen. "Wir haben hier fünf Millionen Euro investiert und kürzlich eine neue Fertigung für Feinkostsaucen, Dressings und Mayonnaise eröffnet", sagt Andreas Schubert. Nicht zuletzt hätten Großkunden wie Burger King oder Subway den Ausbau aus Kapazitätsgründen begrüßt. Mit einer weiteren Feinkostlinie stellt Kühne auch in Spitzenzeiten sicher, dass es zu keinen Lieferengpässen kommt, sollte das schon länger bestehende Werk in Berlin die geforderten Produktionsmengen einmal nicht liefern können, sagt Schubert.

Der 62-Jährige reist häufig von seinem Büro in der Zentrale des Lebensmittelkonzerns im Herzen Hamburgs in die mecklenburgische Landschaft mit ihren weiten Feldern und Seen, um mit Betriebsleiter Dieter Behrens die neuesten Wünsche der Kunden zu besprechen. Schließlich arbeiten die Kühne-Zentrale in Altona und das Werk in Hagenow Hand in Hand.

+++ Eine 290 Jahre lange Geschichte +++

Bis 1995, als ein Brand Teile der Essigfabrik zerstörte, produzierte Kühne unter der Adresse Kühnehöfe (früher Schützenstraße) in Hamburg. Aber noch heute tüfteln Lebensmitteltechniker in den dortigen Labors neue Geschmacksrichtungen aus, probieren Asiasaucen mit Mango, Gurken mit Chiligeschmack und testen andere ungewöhnliche Aromen, welche die Kunden überraschen sollen. Was in Altona im Kleinformat in den Töpfen der Versuchsküche funktioniert, muss dann von den Betriebsleitern in Hagenow in riesigen Mengen produziert werden. Zuweilen eine Herausforderung: Wie schafft man es, dass sich bei einer Salatsauce nicht die Kräuter unten absetzen? Es kommt auf die richtige Mischung mit Stärke an, verrät Schubert. Und warum sehen Gurken im Glas auch nach mehr als einem Jahr im Regal immer noch so schön grün aus? Da sorgt ein wenig Vitamin B für Haltbarkeit.

Für den Diplom-Ökonom Schubert ist die wachsende Nachfrage nach Saucen und Dressings Grundlage für ein besseres Geschäft: "Wir wollen den Umsatz von derzeit 300 Millionen Euro in diesem Jahr noch einmal um zwei bis drei Prozent steigern." Außerdem entgeht er mit der direkten Belieferung der Großkunden mit einem Teil des Kühne-Sortiments dem harten Preisdruck im deutschen Einzelhandel, in dem Discounter wie Aldi und Lidl die Konditionen diktieren, egal, ob Rohstoffe wie Mineralöl oder Zucker für die Industrie teurer werden.

Die Feinkost für Großverbraucher macht derzeit etwa zehn Prozent des Umsatzes der Kühne-Gruppe aus. "Diesen Anteil wollen wir ausbauen", sagt Schubert. Daneben liefert der europaweit größte Essighersteller nach wie vor alle möglichen Sorten wie Weinessig, Aceto Balsamico, aber auch Rotkohl und Gurken für den Handel. Allein in Hagenow produzieren die gut 80 Mitarbeiter 40 Millionen Liter Essig im Jahr.

Für die Menschen in der dünn besiedelten Region in Mecklenburg bedeutet das Kühne-Werk die Garantie für sichere Arbeitsplätze. Der Ausbau der Fabrik trägt mit dazu bei, die Landflucht zu stoppen in den Orten, in denen immer weniger Kinder auf den Straßen spielen und dafür Senioren das Bild prägen. "Ich komme aus der Nähe von Hagenow und habe bis jetzt in Lüneburg gearbeitet", sagt Petra Lehmann, die den exakten Lauf der Mayonnaisenmaschine überwacht. Die Anlagentechnikerin ist froh, jetzt nicht mehr so weit fahren zu müssen, auch wenn die Tarife in Mecklenburg ein paar Hundert Euro unter denen im Westen liegen. Sieben Arbeitsplätze hat Kühne mit der neuen Fertigungslinie geschaffen, und auch die insgesamt 150 Mitarbeiter in der Kühne-Zentrale in Hamburg können durch den Ausbau im Osten von sicheren Jobs ausgehen. "Die Zentrale ist und bleibt in Hamburg", versichert Schubert. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Kühne-Gruppe geht auf eine 1722 in Berlin gegründete Essigbrauerei zurück, und die Firma hat erst seit 1945 ihren Hauptsitz in der Hansestadt.

Von hier aus steuert Schubert, der vor seiner Zeit bei Kühne für den Kekshersteller Bahlsen gearbeitet hat, das Werk in Hagenow, aber auch Produktionsstätten von Kühne in Polen, Frankreich oder der Türkei. Die Millioneninvestition in Hagenow hat dem Lebensmittelhersteller zunächst etwas Luft zum Wachsen verschafft, ist aber noch nicht das Ende der Expansion: Weil im Herzen Europas die Märkte weitgehend gesättigt sind, schaut sich Schubert jetzt im Osten um, "wir denken langfristig an ein zusätzliches Werk in Russland oder China".