Ob Abofallen im Internet oder ungebetene Anrufe: Dies sind die zehn größten Probleme, bei denen oftmals der Rat der Experten gefragt ist.

Hamburg. Ihr Rat ist gefragt: 226 000-mal suchten die Hamburger im vergangenen Jahr Tipps bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Untergeschobene Verträge im Internet, unseriöse Stromanbieter und Mogelpackungen im Supermarkt nerven die Hamburger. Allein in den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl der Ratsuchenden um 17 Prozent. Zusammen mit den Verbraucherschützern hat das Abendblatt anlässlich des heutigen Weltverbrauchertages die zehn größten Ärgernisse ermittelt und wie man sich dagegen wehren kann.

1. Abofallen

Die Abofallen im Internet gehören noch immer zu den größten Ärgernissen der Hamburger. "Gemessen an den Ratsuchenden haben wir hier die meisten Beschwerden", sagt Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg. Um vermeintlich kostenlose Dienste wie Rezepte, Routenplanung oder Hausaufgabenhilfe zu nutzen, werden die Verbraucher aufgefordert, ihre Anschrift anzugeben. Später erhalten sie dann eine Rechnung, obwohl ihnen nicht bewusst war, einen entgeltpflichtigen Vertrag abgeschlossen zu haben. Die Kosten liegen meist zwischen 70 und 90 Euro pro Jahr. Häufig werden zweijährige Verträge untergeschoben.

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Selbst Hamburgs früherer Bürgermeister Ole von Beust tappte schon in eine solche Kostenfalle. "Einfach nicht bezahlen, weil kein Vertrag zustande gekommen ist", rät Hörmann. "Denn die Betreiber wissen, dass sie vor Gericht keine Chance haben, ihre Forderungen durchzusetzen." Die Verbraucher sollen jetzt durch ein neues Gesetz geschützt werden, das voraussichtlich im Sommer in Kraft tritt. Solche Angebote im Internet müssen dann mit der Aufschrift "zahlungspflichtig bestellen" versehen werden.

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2. Kaffeefahrten

Für die älteren Verbraucher ist es ein großes Reizthema: Kaffeefahrten und unseriöse Gewinnversprechen. Die Masche ist bekannt: Überteuerte Produkte von der Wärmedecke bis zu Energiescheiben werden den Teilnehmern angedreht, die Gewinnversprechen aber nicht eingelöst. "Man darf die Suggestivwirkung der Gewinnversprechen mit ihrem amtlichen Charakter nicht unterschätzen", sagt Hörmann. Zwar haben die Verbraucher auch Anspruch auf die zugesagten Gewinne. "Doch die Ansprüche lassen sich kaum durchsetzen", sagt Hörmann. Abhilfe für die Verbraucher sei nicht in Sicht.


3. Ungebetene Anrufe

Das Telefongespräch beginnt mit harmlosen Fragen, doch am Ende wollen die Anrufer etwas verkaufen: Finanzprodukte, Stromverträge oder Wein. Solche Anrufe nerven nicht nur, sie sind bei Privatleuten auch verboten. "Doch das hat leider keine Auswirkung auf die Gültigkeit von am Telefon geschlossenen Verträgen", sagt Hörmann. Zahlen muss man dennoch.

Zwar dürfen die Anrufer nicht mehr ihre Nummer verbergen. Doch das hat die ungebetenen Telefonate nicht eingedämmt. "Dem Geschäftsmodell muss die Grundlage entzogen werden", fordert Hörmann. "Wenn der am Telefon geschlossene Vertrag vom Verbraucher schriftlich bestätigt werden muss, werden viele Telefonverkäufer ihre Geschäfte aufgeben." Doch entsprechende Gesetzesinitiativen sind nicht geplant.

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4. Stromanbieterwechsel

Preiserhöhungen trotz Preisgarantie und vorenthaltene Bonuszahlungen - mit dem Stromanbieter Flexstrom haben die Kunden viel Ärger. "Der Bonus wird nur ausgezahlt, wenn der Kunde seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert, obwohl das für den Kunden so nicht ersichtlich ist", sagt Hörmann. Zahlreiche Gerichtsverfahren in dieser Sache sind anhängig. Die Schlichtungsstelle Energie empfahl Flexstrom, den Bonus auszuzahlen. Doch das Unternehmen lehnte den Schlichterspruch ab. Auch die Nachwirkungen der Teldafax-Pleite spürt die Verbraucherzentrale. Nicht nur die Vorauszahlungen sind verloren. Kunden sollen bis zu 80 Millionen Euro nachzahlen. Die Ursache liegt im Firmengeflecht von Teldafax. Dabei wurden die Vorschüsse des Kunden an seinen ursprünglichen Vertragspartner nicht angerechnet. "Ob man zahlen muss, kann nur im Einzelfall festgestellt werden", sagt Hörmann.

5. Mogelpackungen

Fast täglich entdecken die Verbraucherschützer neue Mogelpackungen. "Der Preis bleibt gleich, doch der Inhalt hat sich verringert", sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale. Ein aktuelles Beispiel: Lätta & Luftig von Unilever unterscheidet sich in der Packungsgröße nicht von der normalen Lätta. Doch statt 500 Gramm wie bei der normalen Lätta sind in dem Becher nur 320 Gramm. Der Preis beider Produkte beträgt 1,69 Euro. Auch die Inhaltsstoffe weichen nur wenig voneinander ab. "Doch den Käufern wird suggeriert, sie bekämen genauso viel Halbfettmargarine für das gleiche Geld", sagt Schwartau. Inzwischen hat die Verbraucherzentrale mehr als 400 Produkte als Mogelpackungen ausgemacht.

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6. Verluste mit Lebensversicherungen

Nach der Kündigung ihrer Lebensversicherung erfahren die Kunden, was für ein Verlustgeschäft sie gemacht haben: Es gibt deutlich weniger als die Hälfte der Einzahlungen zurück. Das ist ein großes Problem, denn jeder Zweite hält seinen Vertrag nicht bis zum Ende der Laufzeit durch. Andreas Oehler von der Universität Bamberg beziffert den Schaden der Verbraucher für die vergangenen zehn Jahre auf 160 Milliarden Euro. "Wir führen seit Jahren Prozesse wegen der zu geringen Rückkaufswerte", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale. Aktuell geht es um die zwischen 2001 und 2007 geschlossenen Verträge. Castelló hofft, für die Verbraucher eine Nachzahlung zu erreichen. Noch in diesem Jahr wird der Bundesgerichtshof entscheiden.

7. Zusatzleistungen beim Arzt

Jedem vierten gesetzlich Versicherten wird inzwischen beim Arzt eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten, für die er bezahlen soll. "Die Leute fühlen sich unter Druck gesetzt und die Beschwerden nehmen zu", sagt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale. So gebe es fast keinen Termin beim Augenarzt mehr, ohne dass die Augeninnendruckmessung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) angeboten werde. Die Kosten liegen zwischen 25 und 50 Euro. "Doch Studien haben gezeigt, dass diese Messung ein Glaukom nicht zuverlässig vorhersagen kann", so Kranich. Das Portal www.igel-monitor.de bewertet diese Leistung wie die Verbraucherzentrale als nicht empfehlenswert.

8. Ärger mit Immobilienfonds

Die meisten Betroffenen glaubten, eine ganz sichere Geldanlage erworben zu haben: offene Immobilienfonds. Sie beteiligen sich an Bürohäusern und Einkaufszentren. "Doch jetzt kommen die Anleger nicht mehr an ihr Geld, weil es den Fonds an Liquidität fehlt", sagt Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale. "Vielfach haben die Banken zu spät auf die Risiken dieser Geldanlage hingewiesen." 13 Fonds mit einem Volumen von rund 24 Milliarden Euro werden nicht mehr offiziell gehandelt oder gar abgewickelt. Die Verluste der Anleger sind noch nicht absehbar.

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9. Täuschung bei Lebensmitteln

"Die Verpackungen vieler Lebensmittel suggerieren Zutaten, die in dem Produkt gar nicht oder kaum enthalten sind", sagt Silke Schwartau. Als Beleg zückt sie ein Fertiggericht von Knorr: Gebratene Nudeln mit Rindfleisch. "Doch nach der Zutatenliste ist nur ein Prozent Rindfleisch enthalten", sagt Schwartau. Doch nicht nur mit Zutaten wird gemogelt. Auch mit der Herkunftsangabe werden falsche Erwartungen geweckt. "Die Alpenmilch von Weihenstephan kommt gar nicht aus den Alpen", sagt Schwartau. Beizukommen ist solchen Täuschungen nur schwer, weil die Hersteller einen zu großen Spielraum haben.

10. Konto verweigert

Ohne Girokonto geht nichts mehr: keine Wohnung, keine Arbeit. "Wir gehen von 15 000 Betroffenen in Hamburg aus", sagt Hörmann. Obwohl sich die Banken freiwillig verpflichtet haben, jedem ein Konto anzubieten, wird es nach Einschätzung der Verbraucherschützer vielen in der Praxis doch verweigert. Häufige Gründe sind Überschuldung und Pfändungen. "Durch persönliche Vorsprache bei den Banken verhelfen wir rund 160 Verbrauchern im Jahr zum eigenen Konto", sagt Hörmann. Die EU-Kommission prüft gegenwärtig ein gesetzliches Recht auf ein Girokonto.