Die Firma Jungheinrich baut ihre Fertigung in Norderstedt aus, übernimmt alle Auszubildenden und schafft außerdem neue Stellen für Ingenieure.

Hamburg. Schnurgerade und 90 Meter lang zieht sich die Fertigungsstraße durch die Werkhalle. 14 Stationen sind es bis zum fertigen Schubmaststapler, dessen Gabeln in Baumärkten oder Logistikzentren bis hinauf in mehr als zehn Meter hohe Regale reichen. 14 Monteure brauchen im Jungheinrich-Werk in Norderstedt jeweils 15 Minuten, um ihre Bauteile aufzusetzen und zu verschrauben. Nur um das Vorwärtskommen der am Ende bis zu 2,5 Tonnen schweren Geräte muss sich niemand kümmern. Das übernehmen niedrige, fahrbare Plattformen, die wie von Geisterhand bewegt mit den Staplern Huckepack von einer Station zur nächsten rollen.

Ihr Geheimnis ist im Boden des Werks des Hamburger Konzerns versteckt. Dort eingelassene Induktionskabel bestimmen nicht nur den Kurs der fahrerlosen Transportsysteme (FTS), sondern versorgen sie auch mit Energie. "Das nervige Warten auf den Weitertransport von einer Montagebox zur anderen mit einem Gabelstapler ist vorbei", freut sich Mechatroniker Alex Ganz, 29. Nur noch 20 bis 30 Sekunden dauert der Wechsel bis zum nächsten Arbeitsgang per FTS. 2001, als der heutige Teamleiter seine Lehre bei dem Hamburger Maschinenbaukonzern begann, waren es bis zu 20 Minuten. "Wir sind schneller und flexibler geworden", sagt Fertigungsleiter Thomas Faasch.

+++ Höhere Dividende +++

Mit dem Bau der zweiten, über die Induktion gesteuerten Fertigungslinie hat Jungheinrich die Weichen auf Wachstum gestellt. "Die neue Technologie gibt uns die Möglichkeit, die Stückzahlen rasch zu steigern", sagt Oliver Lücke, der technische Geschäftsleiter des größten Werks im weltweit aufgestellten Konzern. Zwar sind für das erste volle Jahr mit der neuen Linie mit gut 27 000 Staplern zunächst nicht mehr geplant als 2011. Wenn aber neue Aufträge eingehen, kann dies rasch nach oben revidiert werden. Das dies geschieht, hält Jungheinrich-Sprecher Markus Piazza für ausgemacht. "Wir gehen von einem mittel- und langfristig wachsenden Weltmarkt aus", sagt er. Vor allem in Asien und Südamerika steige der Bedarf kontinuierlich an.

Tatsächlich hat sich das weltweite Geschäft 2011 weiter erholt. So wurden mit mehr als 974 000 Fahrzeugen wieder gut 20 000 mehr verkauft als in der Hochkonjunktur 2007. Doch Europa ist mit 330 000 gegenüber knapp 411 000 vor vier Jahren noch im Hintertreffen. Gerade von dort kommen jedoch rund 90 Prozent der Aufträge des Hamburger Maschinenbauers. "Wir erwarten aber Impulse aus Russland und anderen osteuropäischen Staaten, auch Westeuropa entwickelt sich gut", sagt Piazza.

Ohnehin hat der Konzern auch während der vergangenen Krisenjahre jeweils zehn bis 15 Millionen Euro in Norderstedt investiert. Zusätzlich zur Fertigungsstraße wird in den nächsten zwei Wochen ein an den Hallendecken angebrachtes Transportsystem in Betrieb genommen. Es beginnt an der seit Frühjahr 2011 arbeitenden neuen Pulverbeschichtungsanlage, wo alle Teile ihre charakteristische graue oder gelbe Farbe erhalten und endet direkt an den Montagestraßen. Ähnlich einer Seilbahn sind die Teile in fünf bis zwölf Meter Höhe unterwegs. "In diesem Jahr werden wir nun die Vorfertigung modernisieren, wo unsere Monteure zum Beispiel Hubgerüste der Stapler schweißen", sagt Lücke, der in Braunschweig zum Doktor-Ingenieur promoviert hat. Damit hält Jungheinrich die Investitionssumme hoch.

+++ Innovation macht stark +++

Auch die Entwicklungsingenieure unter den 1300 Beschäftigten im Werk haben sich einen Namen gemacht. Von ihnen stammt ein mit einer wartungsfreien Lithium-Ionen-Batterie ausgerüsteter Stapler - eine Weltneuheit. Der Energiespender kann nicht nur rasch aufgeladen werden, er ist mit 14 Kilogramm auch verhältnismäßig leicht und lässt sich wie ein Koffer herausnehmen. Weil der Akku deutlich schmaler ausfällt als herkömmliche Energiespeicher, ist das mit einer Deichsel geführte Gerät wendiger als die Konkurrenz. "Der um 30 Prozent geringere Energieverbrauch wiegt den derzeit noch um 50 Prozent höheren Preis rasch auf", ist Geschäftsleiter Lücke überzeugt. Seit dem Herbst sind 100 Stapler verkauft, die vor allem für das Entladen von Lkw geeignet sind. Derzeit wartet der Ingenieur auf den ersten größeren Auftrag.

Die anziehende Konjunktur reicht aber schon jetzt für Neueinstellungen. Dazu gehören allein 2011 und 2012 insgesamt 40 Ingenieure und jährlich zwölf bis 15 ausgebildete Lehrlinge. Viele von ihnen bleiben lange. So liegt die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit im Werk bei 17 Jahren. "Aber wenn ich Mitarbeiter verabschiede, haben viele auch 20 oder 30 Jahre bei uns gearbeitet", sagt Fertigungsleiter Faasch. Sein Mitarbeiter Ganz führt dies auch auf den Stolz in der Belegschaft zurück. "Wenn ich einen Jungheinrich-Stapler bei einem Kunden sehe, denke ich immer gleich daran, dass ich das Gerät mitgebaut haben könnte."