Einziger deutscher Tiefwasserhafen erhält weltgrößte Containerbrücken. Eröffnung im August. Neue Konkurrenz für Hamburg.

Hamburg. Es war ein majestätischer Anblick. Gestern gegen elf Uhr ging das chinesische Schiff "Zhenhua 23" unter Sonne und blauem Himmel von der Nordsee kommend längsseits an die Kaje des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven. An Deck des Spezialfrachters stehen vier der weltweit größten Containerbrücken. Mit diesen und vier baugleichen Verladeanlagen soll Deutschlands einziger Tiefwasserhafen am 5. August seine Arbeit aufnehmen. "Das ist ein Meilenstein", sagte Marcel Egger, Geschäftsführer des Terminalbetreibers Eurogate in Wilhelmshaven.

Die 83 Meter hohen, jeweils 1750 Tonnen schweren Spezialkräne weisen in die Zukunft der Containerschifffahrt. Ihre Ausleger sind 69 Meter lang, sie reichen an Deck der Frachter über bis zu 25 Containerreihen. Die heute größten Containerschiffe, die "Emma Maersk" und ihre Schwesterschiffe der dänischen Reederei Maersk, können rund 15 500 Containereinheiten (TEU) in bis zu 22 Reihen transportieren. Wilhelmshaven ist damit für die nächste und auch für die übernächste Generation von Großcontainerschiffen präpariert.

+++ Willkommene Ergänzung +++

Mit einem möglichen Tiefgang von bis zu 18 Metern unabhängig von der Tide ist das Terminal Deutschlands einziger Tiefwasserhafen. In der Containerschifffahrt werden heute bei voller Beladung der größten Frachter Tiefgänge von bis zu 16 Metern erreicht. Da die neuen, noch größeren Schiffe vor allem breiter konstruiert sind, werden sie wohl nicht viel tiefer gehen.

Seit Beginn der Planungen für den JadeWeserPort Anfang des vergangenen Jahrzehnts wird darüber diskutiert, ob Wilhelmshaven künftig eine Ergänzung oder aber Konkurrenz für Hamburg sein wird, den größten deutschen Seehafen. Auch nach der geplanten Elbvertiefung können ausgehende Containerschiffe nicht mehr als maximal 14,50 Meter tief gehen. Vor allem für die größten Containerfrachter mit Kapazitäten von mehr als 14 000 und in absehbarer Zeit bis zu 18 000 TEU dürfte Wilhelmshaven in Deutschland deshalb der bevorzugte Hafen werden.

"Über den Erfolg von Wilhelmshaven wird in den kommenden Jahren vor allem die Entwicklung des Welthandels entscheiden", sagte Arno Brandt, Experte für die maritime Wirtschaft bei der Norddeutschen Landesbank (Nord/LB) in Hannover, dem Abendblatt. "Legt man optimistische Prognosen wie etwa die des Bremer Instituts ISL zugrunde, wird sich der weltweite Containerumschlag bis zum Jahr 2020 in etwa verdoppeln. Dann wäre für einen weiteren Containerhafen wie Wilhelmshaven an der Nordsee ohne Weiteres Bedarf vorhanden, ohne dass Hamburg darunter leiden würde. Aber es gibt viele Unwägbarkeiten vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise."

+++ Schwere Mängel am neuen JadeWeserPort +++

Der JadeWeserPort ist vor allem als Transithafen ausgelegt, die Anbindungen per Straße und Schiene ins Inland sind wenig ausgeprägt. Die großen Frachter aus Fernost sollen in Wilhelmshaven künftig vor allem Container für den Weitertransport in die Ostseeregion anlanden. Kleinere Containerschiffe bringen die Stahlboxen dann zu ihren Zielhäfen in Skandinavien, Osteuropa und Russland. Ein wichtiger Teil dieses sogenannten Feedergeschäfts läuft bislang über Hamburg. Hauptsächlich in diesem Marktsegment könnte der Einfluss von Wilhelmshaven spürbar werden. "Die Auslastung des JadeWeserPorts wird sehr stark von der weltgrößten Linienreederei Maersk abhängen, die das Terminal in Wilhelmshaven gemeinsam mit Eurogate betreibt", sagte Brandt. "Maersk bereitet gerade die Einführung der nächsten Generation von Containerschiffen mit 18 000 TEU Kapazität vor. Genau für solche Großfrachter ist Wilhelmshaven gedacht. Zudem liegt der JadeWeserPort nahe Bremerhaven. Auch dort spielt Maersk mit einem eigenen Terminal eine wichtige Rolle."

Die geplante Eröffnung des JadeWeserPorts hatte sich über die Jahre immer wieder verzögert. Zuletzt warfen Mängel bei den Verbindungen der Spundwände an der Kaje die Frage auf, ob das Terminal pünktlich im August starten kann. Die für den Bau zuständige JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft hatte dies wiederholt bekräftigt. Zur Reparatur der Spundwände würden in mehreren Schichten an sieben Tagen in der Woche bis zu 80 Taucher eingesetzt, sagte Geschäftsführer Axel Kluth kürzlich. Auch Eurogate-Manager Egger rechnet mit Einhaltung der Terminpläne: "Anfang Mai kann der Probebetrieb der Containerbrücken beginnen", sagte er gestern. "Wir gehen davon aus, den Hafen im August in einem mängelfreien Zustand zu übernehmen."

+++ Hamburgs gefährlicher Konkurrent in Wilhelmshaven +++

Die mächtigen Containerbrücken erreichen mit eingezogenem Ausleger eine Höhe von 126 Metern. Die Anlagen werden in China komplett montiert und dann auf Spezialfrachtern zu ihren Einsatzorten gefahren. Würde man die Stahlstrukturen vor Ort zusammensetzen, müssten die Terminalbetreiber dafür kostbare Umschlagfläche freihalten. Auch in fertig montiertem Zustand dauert es mehrere Wochen, bis die Containerbrücken vom Schiff auf das Terminal gefahren und dort mit dem Mittelspannungsstromnetz verbunden sind.

Für Wilhelmshaven, das unter hoher Arbeitslosigkeit leidet, ist jeder sichtbare Fortschritt am JadeWeserPort ein großer Erfolg. So auch gestern. "Wenn ich sensibel wäre, hätte ich jetzt Tränen in den Augen", sagte John Niemann, Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung. In den 1990er-Jahren hatten er und sein Verein den Bau des Terminals initiiert. "Heute", sagte Niemann, "empfinde ich eine große Genugtuung."