Schlecker schließt bundesweit rund 3000 Filialen. In Hamburg bangen nun 240 Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze

Hamburg/Ehingen. Die Hoffnung ist dahin: Als sich die Hamburger Schlecker-Beschäftigten Ende Januar bei der Gewerkschaft Ver.di am Besenbinderhof trafen, da glaubten viele, es werde schon nicht so schlimm kommen für die insolvente Drogeriekette. Die Schließung von Filialen war erst einmal ausgesetzt, die Regale füllten sich langsam wieder und die Löhne waren zumindest für drei Monate gesichert.

Doch nun kommt es knüppeldick für die Mitarbeiter: Mit einem harten Sanierungskurs will Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz die zahlungsunfähige Kette aus der Krise führen. Jeder zweite der bundesweit 6000 Läden solle in den kommenden Monaten geschlossen werden, sagte Geiwitz gestern in Frankfurt. Lediglich 13 500 Arbeitsplätze in Deutschland bleiben erhalten, 11 750 vornehmlich weibliche Mitarbeiter müssen sich einen neuen Job suchen.

Was genau dieser Kahlschlag für die rund 70 Hamburger Filialen und 240 Beschäftigten bedeutet, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Die detaillierten Kürzungspläne sollen erst nach einer endgültigen Abstimmung mit Arbeitnehmern und Betriebsräten veröffentlicht werden. "In jedem Fall ist der angekündigte Stellenabbau aber ein schwerer Schlag für die Mitarbeiter", sagte der Hamburger Fachsekretär der Gewerkschaft Ver.di, Arno Peukes, dem Abendblatt. "Wer seinen Job verliert, muss nun jede erdenkliche Hilfe bekommen."

Zentrale Punkte des Umbaukonzepts für die einst größte deutsche Drogeriemarktkette sind dem Insolvenzverwalter zufolge neben Filialschließungen und Arbeitsplatzabbau auch ein Umbau des Sortiments, Preissenkungen und außerdem eine "neue Kultur in der Unternehmungsführung".

Wenig Chancen sieht Geiwitz dafür, dass die Kinder von Anton Schlecker, Meike und Lars, wie geplant den sanierten Konzern ihres Vaters aus eigener Kraft fortführen können. Ein neuer Investor für das Unternehmen sei wünschenswert, betonte er. Lars und Meike Schlecker hatten bereits kurz nach der Anmeldung der Insolvenz klargemacht, dass die Familie kaum noch Geld übrig habe und quasi ruiniert sei.

Die Sanierung muss nach Angaben des Insolvenzverwalters nun "kompromisslos" umgesetzt werden. Nach der Eröffnung des im Januar beantragten Insolvenzverfahrens im April dürfe Schlecker keine Verluste mehr schreiben. Die Auslandssparten in Österreich und Spanien sollen erhalten, andere Engagements außerhalb Deutschlands möglicherweise abgestoßen werden. Über die Sanierung der ebenfalls zahlungsunfähigen Schlecker-Tochter Ihr Platz solle separat entschieden werden.

Geiwitz sprach von "schmerzhaften Einschnitten" für die Beschäftigten, die aber ohne Alternative seien. In den kommenden Wochen werde ein Vorschlag erarbeitet, der die Stellenstreichungen "so sozialverträglich wie möglich macht". Bis Ende März sollen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen werden. Dabei gibt es für eine Transfergesellschaft nicht genügend finanzielle Mittel, möglicherweise könne mithilfe Dritter eine solche installiert werden. Auch den Gang zur Politik schloss der Insolvenzverwalter nicht aus. Er werde sich für Staatshilfe einsetzen, so Geiwitz.

Die wirtschaftliche Lage der Kette ist aus Sicht des Insolvenzverwalters schlimmer als erwartet. "Die Analyse des Schlecker-Konzerns fällt in gewisser Weise dramatisch aus", sagte er. Schlecker habe im vergangenen Jahr einen Verlust von 200 Millionen Euro gemacht, im Augenblick verliere die Kette monatlich einen zweistelligen Millionenbetrag. Den Bruttoumsatz bezifferte Geiwitz inklusive des Auslandsgeschäfts, welches von den Streichungen nicht betroffen ist, auf rund fünf Milliarden Euro. Netto - also ohne Mehrwertsteuer - seien es lediglich vier Milliarden Euro.

Geiwitz sagte, Firmengründer Anton Schlecker habe ihm gegenüber Fehler eingeräumt. Viele Probleme seien zu spät erkannt, die Restrukturierung zu spät angegangen worden, stellte der Insolvenzverwalter fest. Darüber hinaus seien "große Versäumnisse in der Unternehmensführung" festzustellen. Das Unternehmen sei "zu patriarchalisch" und "zu intransparent" geführt worden. Wichtig für die Zukunft sei daher "eine neue Managementkultur".

Marktbeobachter begrüßten die radikalen Einschnitte bei Schlecker: "Aufgrund vieler unrentabler Standorte in schlechter Lage ist die Schließung vieler Läden unausweichlich", sagte die Handelsexpertin der Marktforschungsgesellschaft Planet Retail, Denise Klug, dem Abendblatt. "Die Härte des Sanierungskurses ist aber schon überraschend." Sie sieht für Schlecker noch eine Zukunft als Nahversorger in Vorstädten und kleineren Ortschaften. Aus Sicht des Handelsprofessor Thomas Roeb kommt es für die Kette nun darauf an, die Umsätze der verbliebenen Filialen zu steigern, um konkurrenzfähige Kostenstrukturen zu erreichen.