Nach zwei schwachen Jahren legt die deutsche Ökobranche um neun Prozent zu. Wie ein Vierländer Gemüse-Landwirt expandiert.

Hamburg. Thomas Sannmann hat jede Menge Pläne. Neue Flächen für den Kürbisanbau will der Vierländer Biobauer in diesem Jahr hinzupachten, bessere Arbeitsräume für seine Mitarbeiter schaffen und den eigenen Hofladen modernisieren. Rund 200.000 Euro werden die Umbauten auf seinem Hof am Ochsenwerder Norderdeich kosten.

"Wir verspüren eine deutlich gestiegene Nachfrage nach unseren Produkten", sagt der Gemüsebauer, der auf seinem Hof überwiegend Salate, Kräuter, Tomaten und Gurken anbaut. "Immer mehr Kunden wollen nicht nur Biolebensmittel einkaufen, sondern sie legen auch Wert darauf, dass die Produkte aus der Region stammen." Daher hat Sannmann, der die 200 Jahre alte Gärtnerei schon 1985 auf Bioanbau umstellte, im vergangenen Jahr ein "ordentliches Umsatzplus" im einstelligen Prozentbereich erzielen können.

So wie auf dem Hamburger Hof sieht es auch in der gesamten deutschen Biobranche aus. Nach einer zweijährigen Schwächephase hat die Biobranche im vergangenen Jahr wieder ein sattes Erlösplus von neun Prozent auf fast 6,6 Milliarden Euro verbuchen können, wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gestern bekannt gab. Der Marktanteil am gesamten Lebensmittelmarkt liegt damit nun bei 3,7 Prozent.

Hintergrund für die positive Entwicklung waren unter anderem die zahlreichen Lebensmittelskandale des vergangenen Jahres, die den Ruf der konventionellen Landwirtschaft nachhaltig schädigten. So sorgte etwa der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter dafür, dass sich der Verkauf von Biofleisch um 40 Prozent und der von Ökoeiern um satte 32 Prozent erhöhte.

Gemüsebauern wie Sannmann hatten zwar zunächst unter der EHEC-Krise Mitte des Jahres zu leiden, konnten aber wesentlich schneller als ihre Kollegen aus dem konventionellen Bereich das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen. "Während der Krise hatten wir einen Umsatzeinbruch, doch die guten Kontakte zu unseren Kunden haben dafür gesorgt, dass sich das Geschäft schnell wieder erholen konnte", sagt Sannmann.

Der Biobauer hat sich unter anderem auf die Kultivierung alter, fast in Vergessenheit geratener Tomatensorten spezialisiert. So baut er unter anderem die Vierländer Platte an, eine besonders aromatische Sorte, die aber aufgrund ihrer dünnen Schale in der industriellen Landwirtschaft nicht mehr zum Einsatz kommt.

Gerade hat Sannmann die Samen für die neuen Pflanzen ausgesät, ernten kann er derzeit aber nur verschiedene Kräuter, Schnittlauch und Salate. "Der Februar ist traditionell der ruhigste Monat bei uns", sagt er.

Im Augenblick wachsen gerade Spezialitäten wie der pikante Wasabi-Salat oder der robuste Feldsalat auf dem Hof heran. Sannmann verkauft sie über einen eigenen Laden, Bioketten wie Alnatura oder Gemüsekisten, die sich Kunden nach Hause liefern lassen können. Vertriebswege, die er weiter ausbauen möchte.

Aus Sicht des Branchenverbands BÖLW bleibt das Angebot an heimischen Ökoprodukten allerdings deutlich hinter der immer weiter steigenden Nachfrage zurück. Gerade einmal um 2,3 Prozent auf nun gut eine Million Hektar habe sich die deutsche Bioanbaufläche im vergangenen Jahr erhöht. Zugleich seien die Importanteile bei Getreide, Kartoffeln oder Möhren drastisch in die Höhe geschnellt. "Wir brauchen jetzt 10 000 neue Biobetriebe, um die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot zu schließen", fordert Verbandsgeschäftsführer Gerber.

Um das zu erreichen, müssten unter anderem die Direktzahlungen für die Landwirtschaft im Rahmen der europäischen Agrarpolitik zugunsten des Ökolandbaus umgeschichtet werden. Zudem sollte die Biogasförderung für Ackerfrüchte beendet werden. Durch den lukrativen Anbau von Mais für solche Anlagen stiegen die Pachtpreise sehr stark an: "Öko-Landbau ist dadurch immer weniger konkurrenzfähig", sagt Gerber.

Eine weitere Stärkung des Ökolandbaus findet auch Bauer Sannmann richtig, doch eine massive Ausweitung der Ökobetriebe hält er nicht für vertretbar. "Das geht vermutlich auf Kosten der Qualität der einzelnen Höfe", sagt er. Als Mitglied des Anbauverbands Demeter gehört Sannmann zu einer besonders strengen Fraktion unter den Biobauern.

So verzichtet er nicht nur auf gentechnisch veränderte Organismen, chemische Pflanzenschutzmittel und synthetischen Dünger, wie ihn das staatliche Biosiegel festschreibt, sondern produziert mit einer eigenen Kuhherde sogar seinen eigenen Kompost. Im vergangenen Jahr investierte der gelernte Gärtnermeister zudem in eine Verflüssigungsanlage, mit der sich der selbst hergestellte Dünger noch leichter als bisher auf die Felder aufbringen lässt.

Um die 33 000 Euro für die neue Anlage aufzubringen, griff Sannmann zu einem ungewöhnlichen Mittel. Er gab Genussscheine für seinen Betrieb über je 1000 Euro aus. Die Scheine haben eine Laufzeit von fünf Jahren und werden mit vier Prozent verzinst. "Wir haben bewusst nach einer Finanzierung gesucht, die uns unabhängig von den Banken macht", sagt Sannmann. "Innerhalb von drei Monaten waren die Scheine verkauft, an Kunden aus Hamburg und dem gesamten Bundesgebiet."

Auch die 200 000 Euro teuren Umbauten in diesem Jahr will der Bauer nun über Genussscheine zu den gleichen Konditionen finanzieren. "Alternativ können sich unsere Anleger die Zinsen auch in Naturalien auszahlen lassen", sagt er. Statt einiger Euro gibt es dann beim Besuch im Hofladen Salat oder Tomaten gratis.