Vattenfall Europe will die Ausfallzeiten pro Jahr in Hamburg reduzieren. Energiekonzern investiert 160 Millionen Euro in das Netz.

Hamburg. 27 300 Kilometer, mehr als der halbe Umfang des Äquators, so lang ist das Hamburger Stromverteilungsnetz. Um es zu erhalten und zu modernisieren, investiert der Betreiber Vattenfall Europe allein in diesem Jahr 160 Millionen Euro. "Wir wollen das Netz instand halten und es zugleich modernisieren. Der größte Teil der Investitionen fließt an Zulieferunternehmen und Dienstleister in der Stadt", sagte Vattenfall-Europe-Manager Dietrich Graf gestern bei der Präsentation eines neu gebauten Umspannwerks in der HafenCity. Es steht in der Stockmeyerstraße neben der Oberhafenkantine direkt an der Bahnlinie. Die Anlage soll Ende des Jahres in Betrieb gehen und künftig Strom für bis zu 6000 Haushalte in dem neuen Stadtteil umspannen. In der Stadt gibt es insgesamt 52 Umspannwerke, die den Strom von 110 000 Volt Hochspannung auf 10 000 Volt Mittelspannung umwandeln.

Die Stromnetze in Deutschland müssen in den kommenden Jahren grundlegend erneuert werden. Hauptgrund dafür ist die Energiewende weg von der Atomkraft hin zu erneuerbaren Energien. Auch die Nutzung der Kohlekraft soll hierzulande perspektivisch zurückgefahren werden. In Norddeutschland werden stattdessen vor allem Windparks errichtet. Die Hochspannungsnetze sollen um mehrere Tausend Kilometer neue Trassen für den Windstromtransport von Nord- nach Süddeutschland ergänzt werden. Die Mittelspannungsnetze wiederum müssen dafür eingerichtet werden, dass der Strom mehr und mehr aus Tausenden Einzelanlagen sowie aus Wind- oder Solarparks eingespeist wird und nicht mehr aus relativ wenigen Großkraftwerken. Zu diesem Zweck installieren die Stromversorger sogenannte "smart grids", "intelligente Netze".

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Von den althergebrachten Stromverbindungen unterscheiden sich die neuen Leitungen vor allem dadurch, dass der Betrieb und der jeweilige Spannungszustand durch mehr Überwachungstechnologie wesentlich genauer verfolgt werden kann. Das hat auch für die Stromverbraucher Vorteile: "Wir können in den neuen Netzen sehr viel genauer sehen, wo die Ursache für einen Defekt sitzt. Mithilfe der modernen Technologie wollen wir die jährlichen durchschnittlichen Stromausfallzeiten von derzeit 13 Minuten in Hamburg auf unter zehn Minuten senken", sagte Graf. Bereits jetzt liege Hamburg bei den Ausfallzeiten zwei Minuten unter dem Bundesdurchschnitt. Nur alle fünf Jahre erlebe ein Hamburger Haushalt statistisch gesehen einen Stromausfall.

Besorgt zeigt sich Graf über den Zustand der Hochspannungsnetze. Vattenfall Europe hatte das nordostdeutsche Netz vor einiger Zeit an das Unternehmen 50 Hertz Transmission verkauft. Alle Stromnetzbetreiber in Deutschland stehen vor einem ähnlichen Problem. In den vergangenen Jahren sind in relativ kurzer Zeit viele Atomreaktoren vom Netz gegangen. Das schürt immer wieder die Furcht vor größeren Stromausfällen, die es bislang allerdings nicht gab.

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Die Anlagen Krümmel und Brunsbüttel etwa werden nach dem Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung nicht wieder angefahren. Das Atomkraftwerk Brokdorf an der Unterelbe ist damit nun für den norddeutschen Raum das wichtigste Basiskraftwerk. Für Hamburg kommen vor allem die Kohlekraftwerke Tiefstack und Wedel hinzu. Das neue Vattenfall-Kohlekraftwerk Moorburg geht wegen technischer Probleme erst im Jahr 2014 in Betrieb. "Wenn Moorburg fertig ist, wird sich die Situation für Hamburg verbessern", sagte Graf. "Wenn zwischenzeitlich in Brokdorf eine Störung eintritt, könnten in Hamburg Sondermaßnahmen nötig werden." Vor allem müssten dann aus anderen Regionen erhöhte Stromlasten herangeführt werden. "Wir müssen die hohe Versorgungssicherheit wieder herstellen, die wir noch in den 1990er-Jahren hatten", sagte Graf. Die Liberalisierung des Strommarktes, der Atomausstieg, aber auch eine fehlende Stromnetzverbindung zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern habe das frühere, weltweit höchste Niveau bei der Versorgungssicherheit in Deutschland beeinträchtigt.

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Vattenfall Europe will das Verteilnetz in Hamburg fortwährend weiter modernisieren. Zum Teil seien die Leitungen bereits 50 bis 60 Jahre alt, sagte Graf. Weil das Netz in Hamburg überwiegend unterirdisch verläuft, sei der Austausch allerdings besonders aufwendig. Insgesamt plane Vattenfall Europe 25 000 Einzelmaßnahmen. Das Unternehmen versorgt in der Hansestadt 1,1 Million Haushalte und Gewerbetreibende mit Strom.

Der Vattenfall-Manager wies darauf hin, dass Kunden 20 Euro von Vattenfall Europe erhielten, wenn der Strom bei ihnen länger als drei Stunden ausfällt und sie sich bei dem Unternehmen melden. Dies gelte unabhängig davon, welcher Stromanbieter den Kunden versorge. Vattenfall Europe, in Hamburg die früheren Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), ist als Hauptstromanbieter in der Stadt für die Versorgung verantwortlich. "Die Anforderungen an die Stromnetze steigen", sagte Graf. "Die Netze müssen jederzeit sicher betrieben werden, zugleich aber viel stärker als früher auf Schwankungen bei Einspeisungen und Entnahmen reagieren können."