Spielwaren statt Bücher. Online-Konkurrenz zwingt Hamburger Händler zum Umdenken. Ein Restrukturierungsplan ist geplant.

Hamburg. Neben den Regalen mit Zeitschriften und Krimis hängen Laptop-Taschen, ein paar Meter weiter stehen Tische voller bunter Teelichter und Blumenübertöpfe. Im Obergeschoss finden sich zwischen Bänden mit Rezepten von Cornelia Poletto oder Jamie Oliver sogar Frühstücksbrettchen und eine Auswahl an Konfitüren - bei Thalia an den Großen Bleichen kann man längst nicht mehr nur Bücher kaufen. Doch demnächst wird sich das Geschäft von Deutschlands größter Buchhandelskette mit Sitz in Hamburg noch stärker verändern: Den Rückgängen im klassischen Buchhandel will die Tochter des Douglas-Konzerns nach Abendblatt-Informationen mit einem Restrukturierungsplan begegnen, dessen Umsetzung im Februar beginnt und der Jobs kosten wird. "Das ist zu befürchten", sagt Arno Peukes, Fachbereichsleiter für den Einzelhandel bei Ver.di.

Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Um fast vier Prozent ist der Umsatz in den Thalia-Läden im Geschäftsjahr zum 30. September 2011 auf vergleichbarer Fläche gesunken. Zwar sei das Weihnachtsgeschäft "durchaus ordentlich" gelaufen, sagt Firmensprecherin Mirjam Berle. "Aber wir müssen davon ausgehen, dass auch das Jahr 2012 wegen des Umbruchs in der Branche nicht einfach wird." Besonders unter Druck stehen offenbar die großen Filialen - Buchhäuser wie die in der Spitalerstraße und an den Großen Bleichen mit 2000 Quadratmetern Verkaufsfläche und mehr. Besonders in Filialen derartiger Größe komme es auch zu Umsatzrückgängen im zweistelligen Prozentbereich, sagt Heinrich Riethmüller, Vorstandsmitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels: "Das wird relativ schnell dramatisch."

Kleineren Buchläden dagegen gehe es besser: "Dort kennt man die Kunden besser, oft ist die Auswahl profilierter." Sehr große Geschäfte hätten traditionell mit ihrem vermeintlich vollständigen Sortiment punkten können. Doch dieses Argument hat mit dem Vordringen der Onlinewettbewerber, allen voran Amazon, an Wirkung verloren.

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Douglas und Thalia

Diesen Zusammenhang hat man auch bei Thalia erkannt. "Nicht sehr viel größer als 500 bis 600 Quadratmeter" sollten die Filialen künftig im Schnitt sein, erklärte Henning Kreke, Chef des Hagener Douglas-Konzerns, jüngst auf der Bilanzpressekonferenz. In diese Richtung zielt der Restrukturierungsplan. "Wir analysieren jede Filiale genau und sehen uns an, wo es zum Beispiel möglich ist, bestimmte Teile unterzuvermieten", so Thalia-Sprecherin Berle. Tests mit dem sogenannten Shop-in-Shop-Konzept laufen bereits: Der Berliner Spielwarenhändler Spiele Max belegt in einer Krefelder Thalia-Filiale 350 Quadratmeter, in Kassel sind es 450 Quadratmeter.

Ebenso ist vorgesehen, den Anteil des eigenen Nicht-Buch-Geschäfts, der aktuell bei zehn bis 15 Prozent liegt, deutlich auszuweiten. Künftig könnten Spiele, Geschenkartikel und ähnliche Produkte 30 bis 40 Prozent des Umsatzes ausmachen, sagt Berle. Diese Erlösverschiebung ist die Reaktion auf den unaufhaltsam scheinenden Niedergang des stationären Buchhandels: Seit zehn Jahren sinkt sein Marktanteil immer weiter, nur noch jedes zweite Buch wird bei einem klassischen Buchhändler gekauft. In weiteren zehn Jahren könne der Anteil auf 40 Prozent sinken, so Riethmüller.

Zwar vertreibt auch Thalia die Bücher längst parallel über das Internet, unter eigenem Namen sowie über die Mehrheitsbeteiligung Buch.de. Dank des rasant wachsenden Onlinegeschäfts nahm der Gesamtumsatz zuletzt um gut drei Prozent auf 934 Millionen Euro zu. Aber dennoch brach der Vorsteuergewinn von 25 Millionen Euro auf nur noch gut fünf Millionen Euro ein, weil die Marge bei den Internetverkäufen wesentlich niedriger ist. Verantwortlich dafür sind nicht nur die Kosten für Porto und Verpackung. Wie auch andere Buchhändler beauftragt Thalia externe Dienstleister mit der Abwicklung des Onlineversands und muss dafür bezahlen. Hinzu kommt noch der hohe Werbeaufwand - schließlich denken die meisten Kunden zuerst an Amazon, wenn es darum geht, Bücher im Internet zu bestellen.

Eine zusätzliche Herausforderung ist bereits absehbar: das elektronische Buch. Noch liegt der Marktanteil in Deutschland erst bei zwei oder drei Prozent, aber in den Wochen vor Weihnachten habe dieser neue Sektor deutlich an Dynamik gewonnen. In zehn Jahren könnten zehn bis 15 Prozent der Bücher auf sogenannten E-Book-Readern gelesen werden, erwartet Riethmüller. Nur: "An diesen Geräten verdient keine Buchhandlung etwas."

Trotz der neuen Vertriebskanäle werde das Buchgeschäft vor Ort aber keineswegs überflüssig, argumentiert man bei Thalia. Kompetente Beratung der Kunden bleibe wichtig. So will man auch künftig flächendeckend präsent bleiben und sogar weitere Filialen eröffnen. Die Belegschaft aber wird wohl nicht weiter wachsen: "Wenn die Filialen kleiner werden, braucht man auch weniger Personal", sagt Berle. "Vieles wird sich durch die natürliche Fluktuation und durch Wechsel an andere Standorte regeln lassen, aber Entlassungen können wir nicht ausschließen."

In Hamburg gebe es allerdings derzeit keine Pläne für Flächenveränderungen. Ohnehin werde es "an ausgewählten Standorten" auch künftig sehr große Thalia-Geschäfte geben: "Wir haben etwa in Nürnberg und in WienFilialen von 4000 Quadratmetern und mehr, die sehr erfolgreich sind."