Netzbetreiber im Norden zahlen bis zu 20 Millionen Euro Vergütung für Energie, die sie nicht einspeisen können

Hamburg. Die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende gerät ins Stocken. Weil es an ausreichenden und hochgerüsteten Stromtrassen fehlt, mussten schleswig-holsteinische Stromnetzbetreiber wie E.on Netz und Tennet im vergangenen Jahr 15 bis 20 Millionen Euro an Betreiber von Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen in ihrem Netzgebiet bezahlen - ohne dafür auch nur eine Kilowattstunde Strom in die Leitungen aufnehmen zu können. Hintergrund ist, dass in dem Bundesland manchmal mehr Strom produziert als verbraucht wird. Die Energieversorger sind jedoch dazu verpflichtet, jede in ihrem Verbreitungsgebiet erzeugte Kilowattstunde zu honorieren.

Zwar soll die überschüssige Energie aus regenerativen Quellen von Nord- in Richtung Süddeutschland transportiert werden können. Doch das ist Zukunftsmusik. Derzeit können die Stromnetze zum Beispiel bei starkem Wind wegen Überfüllung noch nicht allen erzeugten Strom aufnehmen und weiterleiten. Die Geldsumme, die die Netzunternehmen den Betreibern von regenerativen Anlagen überweisen muss, wird deshalb in diesem Jahr mit zunehmenden Windrädern vermutlich weiter steigen. Denn die Aufrüstung des Bundeslandes geht weiter - bis heute sind bereits 3600 Megawatt installiert.

Doch bis zum Jahr 2015 sind im Norden Anlagen mit einer Gesamtleistung von 9000 bis 12 000 Megawatt geplant. Gleichzeitig nimmt die Sorge um künftige Blackouts zu, wenn mangels Windkraft zu wenig Strom ins Netz kommt und die Spannung fällt. In Schleswig-Holstein konnte dies laut Tennet im vergangenen Jahr mehrmals gerade noch verhindert werden.

"Wir müssen den Netzausbau beschleunigen, allerdings als gesamtdeutsche Infrastrukturanstrengung", betont E.on-Hanse-Chef Hans-Jakob Tiessen, dessen Unternehmen in den nächsten drei Jahren rund 100 Millionen Euro nur in den Anschluss erneuerbarer Energien ans Stromnetz im Norden investieren wird. "Doch wenn der Strom südlich der Elbe nicht weitertransportiert werden kann, droht auch der Netzausbau in Schleswig-Holstein ins Leere zu laufen", sagt Tiessen und fordert schnelles Handeln. Schließlich sei es das Ziel der EU, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2050 auf mindestens 55 Prozent zu steigern. Heute liegt er europaweit bei zehn Prozent.

In Schleswig-Holstein konnten von rund 700 Kilometern geplantem Netzausbau bislang nur rund 30 Kilometer von Breklum nach Flensburg realisiert werden. Gründe sind die langen Genehmigungsverfahren und die Proteste der Anwohner, die sich wegen neuer Leitungen vor Elektrosmog fürchten. Das norddeutsche Bundesland ist kein Einzelfall: Überall in Deutschland müssen die großen Netzbetreiber Tennet, 50Hertz Transmission, Ampirion und EnBW um jeden Meter Trasse kämpfen. So sind bis zum Jahr 2014 zwar knapp 150 Ausbaumaßnahmen vorhandener Netze geplant, aber bereits bei 73 Projekten zeichnen sich Verzögerungen wegen Einsprüchen ab.

Verschärft wird das Leitungsproblem mit dem Bau von immer mehr Windparks auf hoher See. Schon jetzt produziert mit "Alpha Ventus" der erste Windpark in der Nordsee Strom. Weitere folgen in ein oder zwei Jahren.