Es ist wie so oft in Deutschland. Ein neues Projekt wird von vielen Bürgern gutgeheißen, aber wenn es um die Realisierung geht, will keiner die Folgen vor seiner Haustür haben. So war es in den 1990er-Jahren, als der Transrapid von Hamburg nach Berlin nicht zuletzt an den Protesten der Bürger scheiterte. So ist es heute mit der Energiewende.

Grünen Strom statt Kernkraft wollen die meisten Deutschen. Doch wenn es um den Bau der dafür notwendigen Netze geht, protestieren sie in den betroffenen Regionen auf den Straßen. So ähnlich war es auch jüngst mit der geplanten CO2-Abscheidung in Kohlekraftwerken. Zwar findet es die Mehrheit gut, wenn weniger schädliches Klimagas ausgestoßen wird. Aber einen unterirdischen Speicher für das abgespaltene Gift will niemand vor seiner Haustür haben. Das Projekt ist in Deutschland vorerst gescheitert.

So könnte auch die sinnvolle Energiewende an den Einsprüchen der Bürger scheitern oder sich zumindest massiv verzögern. Für Deutschland ist es ein Desaster, wenn der im Norden erzeugte Windstrom wegen fehlender Leitungen nicht in den Süden geleitet werden kann. Die Politik muss die Energiefrage zum nationalen Thema mit höchster Priorität machen. Eine Beschleunigung im Genehmigungsrecht ist notwendig. Ein neutrales Schiedsgericht, das zwischen Bürgern und Betreibern verbindlich entscheidet, könnte lange Klagewege vermeiden. Die Zeit drängt, denn mit dem Abschalten der ersten Kernkraftwerke befindet sich Deutschland bereits inmitten der Energiewende. Ohne neue Netze drohen Stromausfälle.