24 neue Kindertagesstätten sollen 2012 in Hamburg entstehen. Doch Gründer kämpfen mit Bürokratie und Vermietern und brauchen Herzblut.

Hamburg. Bastien Carillo ist voll in seinem Element. "Hier entsteht in wenigen Wochen unser Bewegungsraum mit Holzgestellen, Netzen und Kletterwänden", sagt der 34 Jahre alte Pädagoge und Soziologe, während er durch die künftige Kita Hansekinder in Winterhude führt. Noch bedarf es allerdings einer gehörigen Portion Fantasie, um sich vorzustellen, dass sich die kahlen Büroräume am Mühlenkamp bis Anfang April in ein Paradies für kleine Rabauken verwandeln werden. Ein paar Kaufmannsläden hat Carillo für die Jüngsten schon angeschafft, eine einsame Eisenbahn liegt auf dem Boden, sonst aber erinnert noch gar nichts an eine Kindertagesstätte.

Etwa 700 000 Euro investieren Carillo und sein Partner Christian Kolhoff, 34, in ihre neue Kita, etwa 150 000 Euro kommen dabei in Form eines zinslosen Darlehens vom Staat. Rund 50 Krippenplätze und 50 Plätze für Drei- bis Sechsjährige wollen die Gründer schaffen. Dafür haben die beiden Unternehmensberater neben ihren eigentlichen Jobs mehr als ein Jahr lang pädagogische Konzepte studiert, Kitas in ganz Deutschland besucht, sich in das komplizierte Hamburger Gutscheinsystem eingearbeitet und schwierige Verhandlungen mit Vermietern geführt. "Wer eine Kita aufbauen möchte, braucht dafür jede Menge Herzblut und Durchhaltevermögen", sagt Carillo.

Dennoch stürzen sich derzeit jede Menge junge Gründer in das Kita-Abenteuer. Nach Angaben der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration wurden allein im vergangenen Jahr 42 Kitas im Gutscheinsystem der Stadt neu gegründet, 38 davon von nicht-staatlichen Trägern. "Für dieses Jahr liegen uns Hinweise auf 24 konkrete Planungen vor", sagt Behördensprecherin Nicole Serocka dem Abendblatt. "Diese Zahl wird mit Sicherheit noch steigen." Unter anderem werde der von August an geltende Rechtsanspruch auf eine Betreuung für alle Kinder ab dem zweiten Lebensjahr zu einem weiteren Ausbau des Angebots führen. Bislang gilt dieser Anspruch erst für Kinder ab drei Jahre.

Insgesamt gibt es derzeit 1118 Kitas in Hamburg, wobei hier auch pädagogische Mittagstische und betriebliche Einrichtungen eingerechnet sind. Die Zahl der betreuten Kinder im Gutscheinsystem erhöhte sich im vergangenen Jahr um 2000 auf rund 70 000. Dabei wurde vor allem die Krippenbetreuung stark ausgeweitet, während der Elementarbereich (drei Jahre bis zur Einschulung) etwas weniger stark wuchs. Trotz der zunehmenden Zahl an Plätzen müssen viele Eltern allerdings noch immer lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um ihre Jüngsten in eine Kita ihrer Wahl schicken zu können.

Aus Sicht von Gründer Carillo mangelt es in Hamburg vor allem an der Flexibilität vieler Einrichtungen. "Viele berufstätige Eltern sind extrem gestresst, weil sie mit den starren Öffnungszeiten nicht zurechtkommen", sagt er. Ein "Schlüsselerlebnis" hatte der Unternehmensberater, als ihn eine befreundete Managerin eines Abends völlig aufgelöst anrief und fragte, ob er kurzfristig auf ihr Kind aufpassen könne. "Sie musste dringend zu einer Sitzung nach Düsseldorf fliegen und wusste nicht mehr ein noch aus."

Aus diesem Grund sollen Eltern ihre Kinder in Notfällen auch in der Kita Hansekinder übernachten lassen können. "Außerhalb unserer Kernöffnungszeiten von 7 bis 19 Uhr wird es zudem die Möglichkeit geben, die Kinder später abzuholen oder früher zu bringen", sagt Mitgeschäftsführer Kolhoff.

Ein weiterer Service: Eltern können ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen und dort von einem Shuttledienst abholen und zum Kindergarten bringen lassen. Auf diese Weise hoffen die beiden Gründer, auch Unternehmen als Partner für ihre Kita gewinnen zu können. "Das Interesse der umliegenden Firmen ist groß", sagt Kolhoff.

Grundsätzlich wird es für große Konzerne immer wichtiger, ihre Mitarbeiter durch die Bereitstellung von Kindergartenplätzen an sich zu binden. Firmen wie Beiersdorf, Helm oder Airbus verfügen längst über eigene Betriebskindergärten. Andere Unternehmen wie der Krankenhausbetreiber Asklepios, Google oder der Versandhandelskonzern Otto kooperieren mit einzelnen Kitas.

Einfach ist es allerdings nicht, eine eigene Kita aufzubauen. "Wir mussten uns in eine ganze Reihe von Vorschriften einarbeiten, von denen wir zuvor keine Ahnung hatten", erzählen die Hansekinder-Gründer. So lernten sie beispielsweise, dass jedem Krippenkind in einer Hamburger Kita eine Betreuungsfläche von 3,3 Quadratmetern zusteht, während für die etwas älteren Kinder nur drei Quadratmeter vorgesehen sind. "Die zuständige Behörde hat uns aber sehr bei unserer Planung unterstützt, da waren wir positiv überrascht", sagt Kolhoff.

Auch das pädagogische Konzept muss von der Behörde abgesegnet werden. "Mit einem Verhältnis von einer Erzieherin auf sechs Kinder streben wir ein besonders günstiges Betreuungsverhältnis an", sagt Carillo. Zudem sollen die Kinder in der zweisprachigen Kita auch schon erste englische Wörter lernen können. Eine "Forscherwerkstatt" mit Mikroskopen und Werkbänken soll zudem den Entdeckergeist der Jüngsten wecken.

Zum Nulltarif sind die besonderen Leistungen der Kita freilich nicht zu haben. Die Gründer kalkulieren zwar mit den üblichen Leistungsentgelten der Stadt, die von 1300 Euro monatlich für eine zwölfstündige Betreuung im Krippenbereich bis zu 400 Euro für die vierstündige Betreuung eines Drei- bis Sechsjährigen reichen. Doch Shuttleservice oder Übernachtung müssen die Eltern extra bezahlen.

Gut umschifft haben Kolhoff und Carillo ein Problem, an dem bereits viele Kita-Gründungen in Hamburg gescheitert sind. "Wir haben innerhalb weniger Wochen passende Räume für unsere Kita gefunden und haben auch den Vermieter von unserem Konzept überzeugen können", sagt Carillo. "Das war ein echter Glücksfall."

Andere Gründer haben da weitaus weniger Erfolg. "Ich suche bereits seit gut einem Jahr nach einem passenden Standort", sagt die Unternehmensberaterin Elena Keilmann, die eine Kita für 80 bis 90 Kinder in Hamburg eröffnen möchte. "Die Finanzierung des Projekts steht, und ich habe auch schon ein Team von Pädagogen an der Hand", sagt die gebürtige Russin. "Doch wenn Vermieter hören, dass ich eine Kita eröffnen möchte, dann winken die meisten ab." Manch ein Eigentümer nehme eher einen Leerstand in Kauf, als eine Kindertagesstätte im Haus zu akzeptieren. Sie setzt ihre Hoffnungen nun in ein generationsübergreifendes Projekt, in dem ihre Kita neben anderen Einrichtungen unterkommen könnte.

Große Schwierigkeiten hat auch der Träger SterniPark bei der Planung neuer Kitas. Der Verein will in diesem Jahr drei neue Einrichtungen an der Rothenbaumchaussee, in Uhlenhorst und im Bezirk Nord eröffnen, die Zahl der Plätze soll um 300 auf 1850 steigen. "Wir könnten aber noch deutlich mehr Plätze schaffen, wenn uns die Stadt und die Bezirksämter nicht immer neue Steine in den Weg legen würden", sagt Geschäftsführerin Leila Moysich. So warte man an der Rothenbaumchaussee bereits seit einem Jahr auf eine Baugenehmigung für die neue Einrichtung. In Eimsbüttel an der Wrangelstraße sei zudem der Ausbau einer bestehenden Kita am Widerstand des Bezirksamts gescheitert, weil dieses die Umwandlung der zuletzt als Wohnraum genutzten Fläche nicht genehmigt habe.

Die Gründer der Kita Hansekinder sind hingegen zuversichtlich, ihre Einrichtung Anfang April pünktlich eröffnen zu können. Die Umbauarbeiten sollen in der kommenden Woche beginnen, derzeit stellen Carillo und Kolhoff gerade ihr Team aus etwa 20 Erziehern zusammen. "Wenn alles gut läuft, können wir uns auch vorstellen, in den kommenden Jahren noch weitere Kitas zu eröffnen", sagt Carillo.