Der Motoren- und Triebwerkshersteller zählt weltweit zu den führenden Anbietern von Schiffsantrieben. Ein Werksbesuch im Hafen.

Hamburg. Wirtschaft ist ständiger Wandel. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für ganze Regionen. Innerhalb weniger Jahre wurde der britische Motoren- und Triebwerkshersteller Rolls-Royce durch Übernahme anderer Unternehmen zum weltweit führenden Anbieter von Antriebstechnologien für Schiffe und von Schiffsdesign. Das Unternehmen, das mit dem gleichnamigen Automobilhersteller heutzutage nichts mehr zu tun hat, produziert Antriebe, Steueranlagen, Versorgungssysteme und vieles mehr für Marineschiffe und vor allem auch für die wachsende Energieindustrie auf dem Meer.

Seit vergangenem Jahr betreibt Rolls-Royce Marine am Fährstieg auf der Veddel eine moderne Werkstatt für Großbauteile und eine Servicestation für reparaturbedürftige Schiffe. Das Unternehmen fasste seinerzeit andere Standorte in der Stadt zu einer neuen Zentrale zusammen. 45 Menschen arbeiten hier. Für Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) besitzt Rolls-Royce Marine mit seiner Ausrichtung Vorbildcharakter für den Schiffbau in der Stadt und in der Region: "Es war sehr klug, Systemtechnologien für Schiffe zu integrieren und vor allem das Geschäft mit der Offshore-Industrie deutlich auszubauen", sagte Horch gestern bei einem Werksbesuch. "Genau hier, in der Offshore-Industrie für Öl und Gas wie auch für die Windkraft, liegt die Chance des deutschen Schiffbaus, sich unverzichtbar zu machen."

Die deutsche Zulieferindustrie ist im weltweiten Schiffbau hervorragend positioniert, vom Weltmarktführer für Schiffsmotoren, MAN Diesel, über zahlreiche Hersteller von Navigationstechnologie und Schiffselektronik bis hin zum Komponentenhersteller und Schiffsausrüster Hatlapa in Uetersen.

Kritisch ist hingegen die Lage einiger deutscher Werften. Eine Reihe von ihnen sucht ihr Heil im Offshore-Windkraft-Geschäft, weil der Bau von Handelsschiffen an die asiatische Konkurrenz weitgehend verloren ist. Die frühere Werft Nordseewerke in Emden fertigt heutzutage große Stahlkomponenten für Windkraftwerke auf See. Die P+S-Werften in Stralsund und Wolgast bauen Versorgungsschiffe für die Offshore-Industrie. Ob die Wachstumsbranche auch Deutschlands älteste Werft Sietas retten kann, die seit November insolvent ist, steht dahin. Im Orderbuch der Neuenfelder Werft steht ein Windkraft-Errichterschiff für das niederländische Unternehmen Van Oord. Ein zweiter Auftrag, der schon im Herbst bei Sietas eingehen sollte, wurde bislang nicht erteilt. Auch bei der ostdeutschen Doppelwerft Nordic Yards in Wismar und Rostock ist der Auftragsbestand für die Offshore-Windkraft-Industrie bislang überschaubar.

Die Energiewirtschaft hat einen großen Bedarf an neuen Öl- und Gasförderanlagen auf See und mittlerweile auch für den Bau kompletter Windparks. Allein in der deutschen Nord- und Ostsee ist nach Angaben des zuständigen Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg mittlerweile der Bau von Windparks mit insgesamt 2000 Windturbinen genehmigt. In Großbritannien boomt der Bau von Windkraftwerken auf See seit Jahren. Auch in Frankreich entstehthierfür nun ein neuer Markt.

Errichterschiffe und auch Versorger werden dazu gebraucht. Doch dieses Wachstumsfeld haben viele Schiffbauunternehmen und Werften schon vor vielen Jahren erkannt und erschlossen. Um den Bau von Errichterschiffen für europäische Windparks konkurrieren deutsche Werften längst auch mit Anbietern aus Südkorea oder Polen.

Rolls-Royce übernahm Ende der 1990er-Jahre das ebenfalls britische Traditionsunternehmen Vickers und dessen Tochterunternehmen Ulstein, einen führenden Schiffbauer und -ausrüster aus Norwegen. Durch Ulstein erwarben die Briten jahrzehntelange Erfahrung im Geschäft mit der Offshore-, Öl- und Gasindustrie. "Die deutschen Werften waren beim Neubau und auch beim Umbau von Schiffen und Anlagen für die Öl- und Gasförderung früher sehr aktiv. Aber sie haben dieses Geschäft in den vergangenen Jahren vernachlässigt", sagt der gebürtige Hamburger Bernd Wittorf, Chef von Rolls-Royce Marine in Hamburg. "Werften in anderen Ländern haben sich damit eine gute Ausgangsposition für das Geschäft mit der Offshore-Windkraft geschaffen, das jetzt zu wachsen beginnt."

Bilder spektakulärer Umbauten von Offshore-Fahrzeugen bei Hamburgs größter Werft Blohm + Voss sind selten geworden. Und bei Sietas steht die Lage derzeit Spitz auf Knopf, obwohl die Bauqualität der Werft und ihres Tochterunternehmens Norderwerft am Reiherstieg unbestritten ist. "Die Norderwerft hat klasse Arbeit geleistet, noch besser, als wir erwartet haben", sagt etwa Lars Rolner, Chef der Schwergutreederei SAL. Er ließ im Dezember einen Schwergutfrachter mit Steuertechnologie für Offshore-Montagearbeiten bei der Norderwerft nachrüsten.

Wirtschaftssenator Horch gibt sich überzeugt von Vielfalt und Potenzial des neuen Marktes: "Bei der Wartung von Offshore-Schiffen und -Anlagen ist die regionale Nähe geeigneter Werften ein großer Vorteil. Den müssen die deutschen Schiffbauer offensiv nutzen, gerade im noch jungen Geschäft mit Windparks auf See."