Umsatz halbiert. Zahl der Neubauten ist drastisch gesunken

Hamburg. Die Krise im deutschen Schiffbau nimmt kein Ende. Erstmals hat sich in diesem Jahr die Auftragsflaute aus den Jahren 2009 und 2010 in der Fertigung ausgewirkt. Weil damals kaum bestellt und viele Aufträge storniert wurden, lieferten die Werften bis Ende September 2011 gerade 22 Handelsschiffe sowie dazu einige kleinere Marine- und Spezialschiffe ab - 2008 waren es dagegen noch 84 Neubauten. Der Umsatz der Branche wird voraussichtlich von 4,7 Milliarden Euro 2010 auf etwa 2,2 Milliarden Euro sinken. Und ähnlich wie 2010 werden auch 2011 kaum mehr als 21 Aufträge neu hereingekommen sein. Das ist nur etwa ein Viertel von dem, was im Boomjahr 2006 erzielt wurde. "Es gibt zwar durchschnittlich noch Arbeit für etwa zwei Jahre. Die Arbeitsplätze können aber nur erhalten werden, wenn auch die Finanzierungen sicher sind", sagte Werner Lundt, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Der Verband rechnet dabei mit einer Belegschaft von 18 300 Beschäftigten, während die IG Metall auf noch gut 16 300 Mitarbeiter kommt - ein historisches Tief.

Nachdem der Bau von Standardschiffen wie Massengut- und Containerfrachtern an Asien verloren ist, teilt sich die Branche in zwei Hälften. Die eine, zu der die Meyer Werft, die Bremer Lürssen-Gruppe oder auch die Flensburger Schiffbaugesellschaft (siehe Interview) gehören, haben sich mit Kreuzfahrtschiffen, Yachten oder Fähren ihre Nischen gesichert. Auch Hamburgs Traditionswerft Blohm + Voss, die ThyssenKrupp an den Finanzinvestor Star Capital Partners verkaufen will, setzt im Neubau auf Yachten.

Als weiterer interessanter Markt gilt die Offshore-Technologie. Dazu gehören Errichterschiffe für Windanlagen, Umspannplattformen, Anlagen für die Förderung von Öl und Gas aus dem Meer oder auch Kabelleger und Versorgungsschiffe, mit denen Material und Arbeitskräfte zu den Anlagen vor der Küste befördert werden sollen. Hier sehen die ostdeutschen Werften Nordic, und P+S oder die Bremer Abeking & Rasmussen mit ihren seegängigen Katamaranen ihre Chancen. Auch die Hamburger Sietas-Werft, die im November einen Insolvenzantrag stellen musste, kämpft um einen Großauftrag.

Nach einer vom Schiffbauverband initiierten Studie sind in den kommenden zehn Jahren Offshore-Aufträge für 18 Milliarden Euro möglich. Doch neben den deutschen Betrieben sind Koreaner, Chinesen, Polen oder Litauer im Geschäft. "Damit ist dieser Bereich stark umkämpft und die Aufträge werden nicht alle interessierten deutschen Werften auslasten", so der VSM.

Egal jedoch welche Aufträge gewonnen werden: Sie drohen häufig an der Finanzierung zu scheitern. Banken schätzen das Risiko im Schiffbau und bei den unter sinkenden Frachtraten leidenden Reedern als hoch ein. Hat eine Werft nur wenige Aufträge, steigt die Zurückhaltung. Das aber führt zu hohen Zinsen, die das Unternehmen oft nicht schultern kann - ein Teufelskreis.

Immerhin loben die Küstenländer und der Bund Bürgschaften aus. Als bundeseigene Bank hilft die KfW-Ipex. Auch die Europäische Investitionsbank könnte künftig mehr für die maritime Industrie tun. Neue Regeln für das Kreditinstitut in Luxemburg lassen dies zu.

Klar ist: Die deutsche Branche wird 2012 weiter unter Druck geraten. China, Korea und Japan, die für 88 Prozent der weltweiten Produktion stehen, werden mit allen Mitteln versuchen, ihre Docks und Schiffbauhallen auszulasten. Zuletzt sicherte sich Mitsubishi mit einem unter dem Marktniveau liegenden Preis einen Auftrag für zwei Aida-Kreuzfahrer. Zuvor hatte die Reederei siebenmal die Meyer Werft gewählt.

Zwar wird für 2011 noch einmal ein weltweiter Produktionsrekord mit 53 Millionen Neubautonnen (cgt) im Vergleich zu 52 Millionen cgt 2010 erwartet. Aber der Auftragseinbruch, den die deutschen Betriebe spüren, wirkt sich auch in Asien aus. "2012 wird die weltweite Produktion sinken", sagt Lundt. Als Reaktion dürften die Asiaten ihr Augenmerk auch auf Typen richten, die sich die deutsche Branche sichern will. "Für uns wäre es daher am besten, wenn die Konjunktur anzieht und mehr Standardfrachter bestellt werden. Dann kämen deutsche Betriebe bei Spezialschiffen eher zum Zug", sagt Lundt. Zu verteidigen ist noch ein Marktanteil von fünf Prozent für Europa. Deutschland hält ein Prozent.