Konzern verspricht 20 Milliarden Dollar für einen Entschädigungsfonds und streicht Dividende für das laufende Jahr. Börse reagiert positiv

London/New York. BP-Chef Tony Hayward hatte nichts mehr zu verlieren, als er gestern bei einer Kongressanhörung in Washington aussagen musste. Längst ist sein Gesicht untrennbar mit dem Desaster im Golf von Mexiko verbunden, wo seit nunmehr 59 Tagen Öl ins Meerwasser fließt.

Hayward stellte laut vorab bekannt gewordenem Redetext selbst genau die Fragen, deren Antwort die Abgeordneten eigentlich von ihm hören wollten. "Wie konnte dies passieren?", fragte Hayward. "Wie gefährlich ist das Öl für die Umwelt? Und wieso dauert es so lange, bis der Ölfluss gestoppt wird?" Er fügte hinzu: "Auf diese wichtigen Fragen haben wir bislang keine Antwort." Zugleich sagte Hayward, er bedauere die Katastrophe "zutiefst". Er wolle sich für den Unfall entschuldigen, "der niemals hätte geschehen dürfen".

Schon am Vortag hatte BP versucht, die Kongressabgeordneten friedlich zu stimmen. Verwaltungsratschef Carl-Henric Svanberg wandte sich erstmals seit dem Unfall auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" vor acht Wochen an die Öffentlichkeit und entschuldigte sich beim amerikanischen Volk. BP versprach, den Forderungen des US-Präsidenten Barack Obama nachzukommen. Die Dividende werde wie gewünscht für das restliche Jahr nicht ausgezahlt. Zudem zahlt BP 20 Milliarden Dollar (16,3 Milliarden Euro) in einen Treuhandfonds ein. Damit sollen die Opfer der Ölpest entschädigt werden.

"Diese Vereinbarung ist ein entscheidender Schritt, um unseren Beitrag zu klären und zu bekräftigen, damit wir unseren Verpflichtungen nachkommen", sagte Svanberg. Verwaltet wird der unabhängige Fonds von dem Washingtoner Anwalt Kenneth Feinberg. Der Jurist hatte auch die Opfer des 11. September vertreten. Obama betonte, der Fonds sei keine Möglichkeit für BP, sich von weiteren Zahlungen freizukaufen. Das Geld dürfte in der Tat mit ziemlicher Sicherheit nicht reichen. Allein die Fischerei und der Tourismus in der Region erzielen im Jahr einen Umsatz von rund 30 Milliarden Dollar. Entschädigungen für die Angehörigen der verunglückten Bohrinselarbeiter sind ebenso wenig durch den Fonds abgedeckt wie die Säuberungskosten im Golf von Mexiko. Für die Reinigung beschäftigt BP derzeit 20 000 Hilfskräfte und 3600 Schiffe. Zusätzlich muss der Konzern auch mit Strafzahlungen an die US-Regierung rechnen. Bis zu 4300 Dollar je ausgelaufenem Barrel kann die Regierung BP aufbürden. Bis das Ölleck im August voraussichtlich gestopft ist, könnten so rund 20 Milliarden Dollar Strafzahlungen auf den Konzern zukommen. Insgesamt schätzt die Bank Credit Suisse den Gesamtschaden für BP auf rund 49 Milliarden Dollar.

Es stellt sich die Frage, ob BP die finanziellen Folgen der Katastrophe überleben wird. Die Börse reagierte am Donnerstag positiv auf den Treuhandfonds. Zeitweise stieg die Aktie an der Londoner Börse um bis zu 11,28 Prozent an. In den vergangenen Wochen war der Kurs dagegen kontinuierlich gefallen. Der Börsenwert hat sich seit Ausbruch der Ölpest beinahe halbiert. BP zeigte sich zuversichtlich, die Milliardenzahlungen verkraften zu können. Die Einnahmen sprudelten weiterhin gut. Ohne die Belastungen der Katastrophe rechnet das Unternehmen für dieses Jahr mit 30 Milliarden Dollar aus der Förderung und Produktion.

Um Geld für den Entschädigungsfonds zu beschaffen, will BP geplante Investitionen deutlich drosseln. Zehn Milliarden Dollar könnten außerdem durch Verkäufe von Geschäftsbereichen eingenommen werden. Laut Svanberg könnten dies etwa Öl- und Gasfelder sein, die keine zentrale Bedeutung für die Strategie des Unternehmens hätten.