Der Präsident der Handwerkskammer, Josef Katzer, über das Bildungsniveau in Hamburg und die ökonomische Lage des Handwerks.

Hamburg. Hamburgs Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer, seit gut einem Jahr im Amt, zieht eine erste Bilanz. Die Branche wird 2010 besser abschneiden als der Bundesschnitt, und die Arbeitsplätze bleiben erhalten. Das Abendblatt sprach mit Katzer über die Wirkung von Konjunkturprogrammen, schlecht ausgebildete Schüler, die Chancen der Schulreform und seine Schulnote für den Senat.

Abendblatt:

Herr Katzer, Sie mussten Ihr Amt mitten in der Krise antreten. Würden Sie sich erneut dafür entscheiden?

Josef Katzer:

Selbstverständlich, denn was ich als Gast bei inzwischen 43 besuchten Innungen erlebt habe, hat mir viel gegeben. Im Handwerk geht es herzlich zu, auch wenn hin und wieder sehr deutliche Worte gesprochen werden. Das Handwerk ist eben wie eine große Familie.

Die Konjunktur zieht wieder an. Wie ist die Lage im Hamburger Handwerk?

Bisher gab es in der Hansestadt außer in der Metallbranche und bei den exportabhängigen Firmen wenig Klagen. Jetzt dreht die Stimmung, weil die Bürger unsicher werden und weniger Aufträge erteilen. Statt im vorigen Jahr 21 Prozent schätzen nun 33 Prozent der Betriebe ihre Lage als schlecht ein. Die Krise kommt im Handwerk verspätet an.

Hilft der Senat?

Es geht darum, die ausgabewirksamen 450 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm der Stadt nach und nach bereitzustellen, damit die Kapazitäten der Bau- und Ausbaufirmen genutzt werden. Darüber reden wir mit der Wirtschaftsbehörde. Bisher sind über 80 Millionen Euro ausgegeben worden. Bei gleichem Tempo könnte das Geld bis 2012 in Projekte fließen und die Firmen stabilisieren. Über 70 Prozent aus den Landesprogrammen kommen bei Hamburger Betrieben an - ein Anteil, mit dem wir zufrieden sind.

Was erwarten Sie an Wachstum und an Beschäftigung für 2010?

Handwerksbetriebe tun sich grundsätzlich schwer, Beschäftigte zu entlassen. Denn die Bindung an die Belegschaften ist hoch. So gehen wir davon aus, dass bis zum Jahresende die Zahl von 129 000 Beschäftigten konstant bleibt. Wenn auch der Umsatz aus 2009 mit 13,26 Milliarden Euro stabil bleibt, ist das ein Erfolg. Aber wir sind vorsichtig. Schließlich prognostiziert der Zentralverband des Deutschen Handwerks in Deutschland für dieses Jahr ein Minus von einem Prozent.

Welche Branchen sind die Sorgenkinder?

Der Metallbereich, aber auch die Kfz-Werkstätten. Ihnen fehlen jetzt Aufträge, weil viele Menschen die Abwrackprämie genutzt haben, um sich neue Autos zu kaufen. Für sie ist weniger Service nötig. Die Abwrackprämie hat vor allem die Industrie subventioniert, weniger die Handwerksbetriebe.

In Hamburg fehlt Nachwuchs sowohl bei den Auszubildenden als auch bei Meistern, die Firmen übernehmen können. Hat Ihre bundesweite Werbekampagne daran etwas geändert?

In Hamburg konnten wir im vergangenen Jahr zwölf Prozent der Ausbildungsplätze nicht besetzen. Daran sieht man, wie groß das Problem ist. Dabei war das größte Hindernis für Jugendliche, einen Handwerksberuf zu ergreifen, nicht die Bezahlung, sondern die soziale Anerkennung. Die hat gelitten.

Um das Image aufzupolieren, musste die Kampagne her?

Da setzen wir an. Junge Menschen werden zum Beispiel über die "Bravo", in Chatrooms oder auch über Facebook angesprochen.

Firmen beklagen weiter, dass die Jugend in den Schulen nicht genügend ausgebildet werden. Bringt die für Hamburg geplante Schulreform die Wende?

Wenn das Ziel - mehr Lehrer, kleinere Klassen, mehr Bücher und bessere Klassenzimmer - erreicht wird, wird sie ein Erfolg. Wichtig ist für uns das Profil der Stadtteilschulen. Sie sollen sich künftig mehr auf praktische Tätigkeiten wie Werken konzentrieren. Fähigkeiten in solchen Bereichen müssen stärker anerkannt werden.

Das gemeinsame Lernen bis zur sechsten Klasse findet das Handwerk gut?

Schon vor zehn Jahren hat die Kammer dies für neun Jahre gefordert. Da sind sechs Jahre ein guter Kompromiss. Gemeinsames Lernen hebt das Bildungsniveau. Ohnedies stellen wir doch fest, dass das bisherige System versagt hat.

Ein hartes Urteil ...

... das zutrifft. Ein Drittel der Jugendlichen in Hamburg ist nicht ausbildungsfähig. Sie beherrschen die Grundrechenarten nicht oder wissen nicht einmal, wer die Bundeskanzlerin ist. Diese jungen Menschen werden von einer Bildungsmaßnahme in die andere geschoben und bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Unser Bildungssystem verhindert, dass die Wirtschaft die Kräfte bekommt, die sie braucht. An den Menschen liegt das nicht. Ich weigere mich zu glauben, dass sie dümmer sind als früher.

Was passiert, wenn die Reform per Volksentscheid abgelehnt wird?

Wir gehen von einem eindeutigen Votum für die Reform aus.

Mit der Förderung durch die Konjunkturpakete des Senats ist das Handwerk zufrieden. Die Konkurrenz durch öffentliche Betriebe bleibt aber ein Ärgernis?

Zuletzt hat die Gefängnis-Bäckerei der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel öffentlich angekündigt, sie könne auch an private Kunden liefern. Als wir interveniert haben, hieß es dann, das sei ein Irrtum gewesen. Auch Saga, Sprinkenhof, Stadtreinigung und alle anderen öffentlichen Unternehmen werden wir in ihrem Marktverhalten weiterhin kritisch beobachten.

Gemeinsam mit der Handelskammer stemmt sich das Handwerk auch gegen eine Umweltzone, mit der die Innenstadt von Verkehrsemissionen entlastet werden soll. Liegt der Klimaschutz den Kammern nicht am Herzen?

Doch, aber es ist erwiesen, dass in Hamburg die Emissions-Grenzwerte für Feinstaub seit Jahren nicht überschritten werden. So hat Hamburg unserer Auffassung nach kein Problem mit Feinstaub. Jetzt aber den Firmen zusätzliche Belastungen durch den Kauf neuer Fahrzeuge für Anlieferungen aufzuerlegen, wäre das falsche Signal zur falschen Zeit. Das passt nicht zu der labilen konjunkturellen Situation und nicht dazu, dass die Stadt die lokale Wirtschaft stärken will. Wir setzen uns daher für eine "Partnerschaft für Luftgüte" ein mit Anreizen statt Verboten.

Welche Schulnote geben Sie dem Senat?

Schon eine Zwei bis Drei. Die Schulreform kommt in Gang, vor allem aber werden die Konjunkturprogramme erfolgreich eingesetzt. Werden aber die versprochenen Mittel bei der Haushaltskonsolidierung wieder eingespart und kommt wider jede Vernunft die Umweltzone doch, kann sich das rasch zu einer Vier minus wandeln.