Wirtschaftsminister lehnt Bürgschaft ab. Kanzlerin hat heute aber das letzte Wort

Hamburg. Die von den Opel-Mitarbeitern mit Bangen erwartete Absage sickerte schon morgens durch. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) lehnt Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds für Opel ab. Zuvor hatte sich der mit Spitzenbeamten besetzte Lenkungsausschuss des staatlichen Krisenfonds nicht auf eine klare Position in Sachen Opel verständigen können und die Entscheidung an den Minister übertragen. Der FDP-Politiker argumentierte, als Marktwirtschaftler sei er der Auffassung, dass der Staatseinfluss auf die Wirtschaft nach der Krise zurückgeführt werden müsse. Er sei davon überzeugt, dass Opel auch ohne Bürgschaft "eine gute Zukunft" haben werde. Der Steuerzahler könne aber nicht Risiken der Opel-Mutter General Motors (GM) übernehmen. Der Konzern in Detroit verfüge derzeit über freie Mittel von mehr als zehn Milliarden Euro.

Bundeskanzlerin Merkel trifft sich mit Regierungschefs der Länder

Die über Monate von GM geforderte Staatshilfe über 1,1 Milliarden Euro für die Sanierung des Traditionsunternehmens ist damit aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers vom Tisch. Doch nicht er hat das letzte Wort, sondern die Bundeskanzlerin. Angela Merkel (CDU) hat für heute die Regierungschefs der vier Bundesländer mit Opel-Standorten - Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Nordrhein-Westfalen - zu einem Spitzentreffen nach Berlin eingeladen. Dabei sollen Alternativen gesucht werden, wie dem Autobauer auch ohne Geld aus dem Deutschlandfonds, das nur für Opfer der Wirtschafts- und Finanzkrise vorgesehen ist, doch noch geholfen werden kann.

Denn Merkel ist für Hilfen durchaus noch offen. Die Kanzlerin betonte, sie werde alles dafür tun, dass die Mitarbeiter "die möglichen Hilfen und die Unterstützung bekommen, die uns zur Verfügung stehen". Damit stellt sie sich demonstrativ gegen ihren Wirtschaftsminister und unterstreicht den Konflikt in der Regierung. "Ich glaube, es ist klar, dass innerhalb der Koalition über diese Frage unterschiedliche Meinungen herrschten. Das ist nicht erst seit gestern so", sagte Merkel. Die Nichtgenehmigung des Antrags sei Ausdruck dieser unterschiedlichen Meinungen.

Im Gespräch sind Hilfen der Europäischen Investitionsbank (EIB), hieß es in Koalitionskreisen. Das Problem: Ohne den Steuerzahler wird auch diese Rechnung nicht aufgehen. Das Unternehmen müsste zunächst mit eigenem Geld in Vorleistung gehen. Doch der Autobauer komme ohne Bürgschaften nicht an Kredite, weil er keine eigenen Sicherheiten hat, sagte Autoexperte Christoph Stürmer. "Opel hat kein Kreditrating, keine Kreditgeschichte und keine europäische Konzernbilanz."

Der Streit in der Koalition und auch in den eigenen CDU-Reihen ist jedenfalls programmiert. Die FDP-Fraktion und Parteichef Guido Westerwelle stehen hinter ihrem Parteikollegen Brüderle. Zum Markenkern der FDP, die nach Hotelsteuerbonus und dramatisch schlechten Umfragewerten um ihr Ansehen ringt, gehört die Kompetenz in der Wirtschaftspolitik. Hilfen - auch durch die Hintertür - für einen Autobauer, der durch Missmanagement über viele Jahre Milliarden und Marktanteile verlor, passen da schlecht ins Bild.

Auch der Wirtschaftsflügel der Union warnt Merkel seit Monaten vor einem Sündenfall bei Opel. Es sei den Menschen in den Wahlkreisen nicht vermittelbar, dass zu Wochenbeginn die Kanzlerin das 80-Milliarden-Sparpaket mit Einschnitten für Hartz-IV-Empfänger, Rentner und Familien verkünde - und nun Opel womöglich doch noch unter die Arme greife.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) steht auf der Seite Brüderles. "Bundeswirtschaftsminister Brüderle hat mit seiner Entscheidung ein wichtiges Zeichen gesetzt: Kein Unternehmen darf aus rein politischen Gründen unterstützt werden. Alle Unternehmen, die eine Bürgschaft aus dem Wirtschaftsfonds Deutschland in Anspruch nehmen wollen, müssen die daran geknüpften Kriterien erfüllen - auch Opel, so schwierig das für die Unternehmen im Einzelfall ist", sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann dem Abendblatt.

Nach Befürchtungen der mehr als 24 000 Beschäftigten droht nun allerdings ein Kahlschlag in den deutschen Fabriken. Diese Standorte im Herzen Europas bilden zwar das Rückgrat der Marke mit dem Blitz. Sie sind aber auch wichtiger Teil des europaweiten Sanierungsprogramms der US-Mutter General Motors - "einer der größten und komplexesten Restrukturierungen in der europäischen Industrie der vergangenen Jahre", wie es Opel-Chef Nick Reilly formulierte. Bisher hieß es, von den 8300 Stellen, die bei Opel in Europa wegfallen sollen, dürfte GM allein in Deutschland knapp 4000 streichen.

Reilly versprach gestern zwar, auch nach der Absage gebe es keinen Plan, weitere Werke zu schließen. Zudem hatte der gebürtige Brite stets betont, GM habe Opel nicht behalten, "um die Marke kaputtgehen zu lassen". Der Sanierer, der auch schon mal auf ein Jahresgehalt verzichtete, um Kosten zu sparen, macht allerdings auch keine großen Hoffnungen auf Hilfe aus den USA. Die US-Steuerzahler hätten mehr als 60 Milliarden Dollar in das Unternehmen investiert, wollten aber genau so wenig wie jetzt die europäischen Steuerzahler, dass ihr Geld in Übersee investiert wird.

Ohne die Bürgschaft könnten die deutschen Opel-Werke nun stärker vom Stellenabbau betroffen sein als zuvor geplant, schätzt aber auch Kurt Kröger, Gesellschafter des weltgrößten Opel-Händlers Ernst Dello mit Sitz in Hamburg. "Ich befürchte nun Verlagerungen von deutschen Standorten weg in andere Länder", sagte Kröger. Schließlich hatten etwa Großbritannien und Polen bereits Hilfen für Opel zugesagt.

Klaus Franz, der Betriebsratsvorsitzende des Opel-Konzerns, sagte, Brüderle handele "wider besseres Wissen und gegen die Interessen der Standorte in Deutschland". Opel und seine Belegschaft würden von dem Minister benutzt, um die Krise der FDP zu kurieren. Auch Autoexperte Willi Diez ist überzeugt, dass GM ohne Staatsbürgschaften ein neues Sparprogramm auflegt mit "gravierenden Auswirkungen auf die deutschen Standorte".

Astra für chinesischen Markt wird derzeit in Deutschland gebaut

Reilly hatte zuvor aber auch immer wieder die Chancen für die Zukunft Opels betont. Zum einen könne GM heute seine Ressourcen viel gezielter einsetzen als vor der Krise des Autobauers. GM habe früher zu viele Marken besessen, vereinige statt acht Marken jetzt aber nur noch vier unter seinem Dach. Außerdem solle Opel nach und nach auch neue Märkte erobern. So werde der Astra für China bereits in Deutschland gebaut und bald werde auch der Markt in Indien ins Visier genommen.

Auch durch den verstärkten Export will Reilly die Stückzahlen wieder nach oben treiben: Derzeit verkauft Opel 1,2 Millionen Fahrzeuge, die Marke müsse aber wieder in eine Größenordnung von zwei Millionen kommen. Dabei setzt der Hersteller auch auf Zukunftstechnologien. Im nächsten Jahr soll das Elektroauto Ampera auf den Markt kommen.