Ob und wann die Beschäftigten die Einmalzahlung bekommen, hängt von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage in den Unternehmen ab.

Hamburg/Würzburg. In der Stimme des Chemiechefs Nord schwingt hörbare Erleichterung mit. "Für die teilweise schwierige Situation unserer 300 Betriebe in Norddeutschland und ihrer 67.000 Beschäftigten ist dieser Abschluss die richtige Lösung. Ein echter Krisentarifvertrag", kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes ChemieNord, Jochen Wilkens, den aktuellen Tarifabschluss für die Chemiebranche.

Die Tarifpartner einigten sich am Mittwoch nach zweitägigem zähen Ringen in Würzburg auf ein mehrteiliges Tarifpaket für die bundesweit rund 550.000 Beschäftigten - darunter 13.000 in Hamburg. Statt linearer Lohnerhöhungen sollen die Mitarbeiter bundesweit eine Einmalzahlung von bis zu 550 Euro erhalten sowie einen Bonus abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens. Betriebsbedingte Kündigungen sollen die Ausnahme bleiben.

Obwohl die Arbeitnehmerseite keine Entgelterhöhung durchsetzen konnte, zeigte auch sie sich mit dem Ergebnis zufrieden. "Dieser Tarifvertrag schlägt eine Brücke von der Krise in den Aufschwung", sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. Er werde den unterschiedlichen Bedingungen in der Branche gerecht.

Ob und wann die Beschäftigten die Einmalzahlung bekommen, hängt von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage in den Unternehmen ab. So kann die Zahlung per Betriebsvereinbarung auf das nächste Jahr verschoben werden oder auch auf bis zu 300 Euro gekürzt werden. "Diese Lösung verschafft den von der Wirtschaftskrise stark gebeutelten Chemieunternehmen die nötigen Spielräume zur Erholung", sagt Wilkens. So mussten insbesondere die Betriebe in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg im vergangenen Jahr Umsatzrückgänge von bis zu 30 Prozent verkraften, während der Einbruch im Bundesschnitt lediglich bei zehn Prozent lag. Der Chemie-Nord-Chef geht davon aus, dass besonders belastete Firmen im Norden die Einmalzahlung erst 2011 an ihre Beschäftigten überweisen können. In der Regel sollten die Mitarbeiter das Geld Ende Juni auf dem Konto haben.

Wilkens zeigt sich vor allem zufrieden, dass keine tabellenwirksame Entgeltsteigerung durchgesetzt wurde. "Dies hätte unsere Situation weiter verschärft. Denn wir sehen noch keinen sich selbst tragenden Aufschwung." Der Vertrag gilt im Norden von Mai an mit einer Laufzeit von elf Monaten. "Im nächsten Jahr können wir dann je nach Situation neu verhandeln", so Wilkens.

Neben der flexibilisierten Einmalzahlung haben sich die Chemietarifparteien auf ein neues Instrument zur Nachwuchssicherung geeinigt. Die Arbeitgeber wollen einen Nachwuchssicherungsfonds in Höhe von 25 Millionen Euro einrichten.

Bis zu 1000 Ausgelernte, die nach ihrer Ausbildung eigentlich nicht übernommen worden wären, sollen so den Unternehmen erhalten bleiben. Übernommene Azubis sollen ein Jahr lang monatlich 1000 Euro bekommen. Zudem sollen von 2011 bis 2013 bundesweit 9000 neue Ausbildungsplätze pro Jahr angeboten werden.

Nach Ansicht von Konjunkturexperten passt die Tarifeinigung in die wirtschaftliche Landschaft. "Das ist moderat und aufseiten der Kostenbelastung für die Betriebe krisengerecht", sagte Tarifexperte Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Einmalzahlung entlaste die Betriebe mittelfristig. "Der Verzicht auf eine lineare Erhöhung und damit tabellenwirksame Lösung ist eine Reaktion auf die wirtschaftliche Krise", betonte auch Reinhard Bispinck vom gewerkschaftsnahen Böckler-Institut WSI.