Konjunkturprogramme sorgen für Stabilität in der Wirtschaft. Dennoch sind derzeit weltweit 212 Millionen Menschen ohne Arbeit.

Hamburg. Ob Konjunkturprogramme, Steuersenkungen oder Kurzarbeitergeld - staatliche Maßnahmen und Hilfen rund um den Globus haben die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Arbeitsmärkte entscheidend gedämpft. Eingriffe der öffentlichen Hand haben allein in den 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen, die in der sogenannten G20-Gruppe zusammengeschlossen sind, seit Anfang 2009 rund 21 Millionen Arbeitsplätze gesichert, das sind etwa ein Prozent aller Arbeitsplätze weltweit.

Zu diesem Ergebnis kommt die Internationale Arbeitsorganisation ILO mit Sitz in Genf in einem neuen Report. Er wurde für das Gipfeltreffen der G20-Arbeitsminister erstellt, die gestern und heute in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania weitere Reaktionen auf die Wirtschaftskrise beraten. Die Minister aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der zuständige Kommissar der Europäischen Union mussten wegen der Flugverbote über Europa dem Treffen allerdings fernbleiben. "Wir müssen mehr Arbeitsplätze schaffen, und wir haben die historische Chance, dafür verbindliche Empfehlungen auszusprechen", sagte US-Arbeitsministerin Hilda Solis vor Beginn der Konferenz. Es ist das erste Treffen der Arbeitsminister im erweiterten Staatenkreis der G20-Gruppe, zu der auch die bevölkerungsreichsten Länder Indien und China zählen.

Durch die Krise seien rund 34 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden anstelle von rund 55 Millionen ohne staatliche Interventionen, teilte die ILO in ihrem Report mit. Insgesamt hatte die Organisation die Zahl der Arbeitslosen zu Beginn des Jahres mit weltweit rund 212 Millionen angegeben. Allerdings gibt es für viele Länder - vor allem für die Entwicklungsländer - keine zuverlässigen Statistiken. "Die politischen Reaktionen der G20-Staaten auf die globale Krise waren schnell, entschlossen und umfangreich", lobte ILO-Generaldirektor Juan Somavia. Auf die nötige Stabilisierung der Finanzmärkte seien schnell umfassende Maßnahmen zur Stützung der Arbeitsmärkte gefolgt.

Somavia warnte allerdings davor, die staatlichen Hilfsprogramme und -mechanismen zu schnell zurückzufahren. "Das Wachstum bleibt fragil, und die Konsumnachfrage in vielen Ländern ist weiterhin schwach", sagte der ILO-Chef. "Maßnahmen, die Arbeitsplätze erhalten und die die sozialen Schutzsysteme stärken, sollten so lange weiter verbessert werden, bis das Wirtschaftswachstum wieder deutlich anzieht."

In 15 Ländern der G20-Gruppe, die zuverlässige Daten zur Verfügung stellen, sind laut ILO vom dritten Quartal 2007 bis zum gleichen Zeitraum 2009 insgesamt sechs Millionen Arbeitsplätze in der Industrie, im Handel und in anderen Branchen verloren gegangen. Im gleichen Zeitraum stieg die Arbeitslosenquote in jenen 14 G20-Staaten, die diese Zahlen berichten, von 12 auf 14 Prozent. In Deutschland lag die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2009 bei 8,2 Prozent gegenüber 7,8 Prozent 2008. Für diesen März weist die Bundesagentur für Arbeit 8,5 Prozent Arbeitslosenquote aus, das ist geringfügig weniger als ein Jahr zuvor.

Wesentlich für die Stabilisierung der Volkswirtschaften waren und sind die erhöhten öffentlichen Ausgaben für Infrastrukturprojekte wie etwa Straßen oder Brücken. China und Australien geben dafür 2009 und 2010 jeweils zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes aus. Beide Staaten zählen zu denen, die die Wirtschaftskrise am schnellsten überwunden haben und die trotz Krise in den vergangenen zwei Jahren weiterhin ein Wirtschaftswachstum verzeichneten. Deutschland investiert 2009 und 2010 jeweils 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Erneuerung der Infrastruktur.

Ausdrücklich erwähnen die ILO-Experten das deutsche Modell der Kurzarbeit, welches vom Staat finanziell unterstützt wird. 1,5 Millionen Menschen in Deutschland standen zum Höhepunkt der Wirtschaftskrise Mitte 2009 in Kurzarbeit, laut ILO entsprach das dem Gegenwert von rund 500 000 Vollzeitstellen. Auffällig ist, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland - anders als in den USA - kaum gestiegen ist, obwohl die Bundesrepublik 2009 rund fünf Prozent Bruttoinlandsprodukt gegenüber 2008 verlor. Damit zählte Deutschland zu den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern.